Mein irischer Held
sie nur die Möglichkeit hätte, Harfe zu spielen, dann würde sie all ihre Sorgen vergessen können.
Leider hatte Hugh dafür gesorgt, dass es auf Rionallís keine Instrumente gab. Er hatte Musik verabscheut. Auch darin war er grundlegend anders als Bevan. Tatsächlich waren die beiden so verschieden, wie zwei Männer es nur sein konnten. Genevieve dachte daran, wie sanft Bevan sie geküsst hatte. Auch als seine Leidenschaft entflammt war, hatte er sich rücksichtsvoll und zärtlich gezeigt. Aber das allein war natürlich kein Beweis dafür, dass er ihr mehr als freundschaftliche Gefühle entgegenbrachte. Ja, vermutlich betrachtete er sie nicht einmal als Freundin. Schließlich war sie eine Normannin, eine Feindin der Iren. Deshalb konnte er ihr gegenüber nicht offen sein.
Seiner verstorbenen Gemahlin hatte er offensichtlich in allem vertraut. Er musste sie über die Maßen geliebt haben. Und das, obwohl sie allem Anschein nach Geheimnisse vor ihm gehabt hatte. Was Ewan erzählte, war durchaus glaubhaft. Fiona hatte Rionallís mehr als einmal heimlich verlassen. Und dafür konnte es – wie Genevieve glaubte – nur einen Grund geben: Fiona war Bevan nicht treu gewesen.
Würde er sich weiterhin an seinen Schwur gebunden fühlen, wenn er erfuhr, dass seine Gemahlin ihn hintergangen hatte? Vermutlich nicht. Dennoch konnte sie, Genevieve, ihm die Wahrheit auf keinen Fall mitteilen. Er würde es ihr nie verzeihen, wenn sie das Idealbild seiner Frau zerstörte. Also würde sie schweigen müssen.
Laute Stimmen rissen sie aus ihren Gedanken. Sie wandte sich zur Tür und stieß einen Freudenschrei aus. „Mutter!“
Lady Helen war eine schlanke, hoch gewachsene Dame mit dunklem Haar, das sie jetzt unter einem Schleier verborgen hatte. Sie schaute ihrer Tochter, die auf sie zueilte, lächelnd entgegen, dann fielen die beiden Frauen sich in die Arme.
„Mutter …“
„Mein Liebes.“ Lady Helen drückte Genevieve fest an sich. „Du musst mir alles erzählen!“
„Natürlich.“ Genevieve führte ihre Mutter zum nächsten Tisch und bedeutete einer Magd, Erfrischungen zu bringen. Danach begann sie mit ihrem Bericht über das Leben, das sie an Hughs Seite hatte führen müssen. Manchmal klang ihre Stimme bitter.
„Ich wünschte, wir hätten eher davon erfahren“, sagte Helen leise. „Aber wir haben erst vor Kurzem ein paar Zeilen von dir erhalten. Wir sind sofort aufgebrochen, um dir zu Hilfe zu kommen. Trotzdem mache ich mir Vorwürfe. Wir hätten dich nicht Sir Peters Schutz anvertrauen dürfen. Er ist ein Freund deines Vaters, aber vermutlich ließ ihn seine Bewunderung für Hughs Kriegskünste manches übersehen.“
„Hugh hat immer behauptet, er habe mich für mein Fehlverhalten züchtigen müssen. Sir Peter wusste vermutlich nicht, auf welche grausame Art ich bestraft wurde. Aber er hätte mir Gehör schenken müssen, als ich ihn um Unterstützung bat.“
„Das hätte er zweifellos.“ Tränen glitzerten in Lady Helens Augen.„Es tut mir so leid, Genevieve. Wahrhaftig, wenn Sir Peter noch hier wäre, würde ich ihm meine Meinung sagen. Und Hugh würde ich auspeitschen lassen!“ Sie strich ihrer Tochter liebevoll übers Haar, anschließend wechselte sie das Thema. Es war von jeher ihre Art gewesen, nicht länger als nötig bei unangenehmen Dingen zu verharren. Zudem war sie verständlicherweise neugierig auf den Mann, der so unerwartet ihr Schwiegersohn werden würde. „Was kannst du mir über Bevan MacEgan erzählen?“
Genevieve hob die Augenbrauen. Der Tonfall ihrer Mutter verriet keinerlei Sympathie für den Bräutigam.
„Hast du wirklich vor, diesen Iren zu heiraten?“ Lady Helen sprach, als habe ihre Tochter etwas Schreckliches vor, etwas Lebensgefährliches. Als wollte sie sich von einem Turm stürzen.
Beschwichtigend erklärte Genevieve: „Er ist ein guter Mensch und ein hervorragender Kämpfer. Sein Herz allerdings gehört seiner verstorbenen ersten Frau.“
Helen seufzte. „Ich habe nicht nach seinen Gefühlen gefragt. Schließlich geht es um eine eheliche Verbindung und nicht um das Lied eines Minnesängers.“
„Das weiß ich.“
„Bist du dir da ganz sicher? Wenn ich an die Geschichte mit Hugh denke, habe ich so meine Zweifel. Ich fürchte, du lässt dich zu sehr von deinen Gefühlen leiten. Sicher, der König hätte es gern gesehen, wenn du Marstowes Gemahlin geworden wärst. Aber du hattest genug andere Verehrer. Wir hätten dich ebenso einem von ihnen zur Frau gegeben. Du
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