Mein ist dein Herz
Eigenart an mir, die mir nicht gerade unbekannt ist, die ich allerdings allen Mühen zum Trotz nicht beherrschen kann. Es sind meistens einfache Worte, welche in mir arbeiten und so oft von meinem Verstand seziert werden, bis ich bereit bin, diese Qual zu beenden und eine Entscheidung fälle. Ein Urteil, welches leider sehr selten zu meinen Gunsten ausfällt.
Zwar würde ich bestreiten, dass Tyler meine große Liebe ist. Er ist eher meine schlechte Gewohnheit und diese legt man bekanntlich nur sehr schwer ab, allerdings reicht lediglich ein Gedanke an Sean aus, um zu erkennen, dass ich Scheiße baue. Glück schaut eben anders aus, als das, was ich derzeit in sein Leben bringe. Dabei ist er der Einzige von uns allen, der es wirklich verdient hätte, seinem Glück zu begegnen.
Blöde Situation, nicht? Genau das meine ich auch. Es sollte aber noch blöder kommen. Dies war schließlich nur der Zufall, und wie ich bereits angekündigt habe, kommt der niemals allein, sondern immer in ›liebreizender‹ Begleitung.
Für die Sünde gibt es einen tierischen Inbegriff. Sie wissen schon: geschuppt, kaltblütig, tödlicher Blick, gespaltene Zunge und sie schleicht sich lautlos an, um ihre Beute zu überraschen. Wer sich gerade bei der Vorstellung schüttelt, weiß, wie es mir ergangen ist, als ich an diesem Abend ins dunkle Treppenhaus trat und dabei auf Tyler stieß, der sich einem Berg gleich vor mir aufgebaut und mich sofort in eine felsenfeste Umarmung gezogen hat.
Brrrr! Gänsehaut und Herzinfarktrisiko pur.
Paranormal Activity ist ein Kindermärchen im Vergleich zu diesem Erlebnis.
Ich brachte es nicht einmal zu Stande ein »Scheiße, was machst du denn hier!« auszusprechen und mein Herz aus der Hose nach oben zu bitten, da setzte er noch eins drauf, indem er anfing zu heulen. Mit Tränen, herzzerreißenden Schluchzern und anderen dazugehörigen Peinlichkeiten.
Dabei fielen solche Sätze wie:
»Wir werden definitiv zusammenziehen und heiraten.«
»Ich will ein Kind mit dir!«
»Du darfst nie wieder gehen, weil ich das nicht überleben werde.«
»Verzeih mir bitte, damit auch ich alles vergeben und vergessen kann.«
Ein weiterer, viel zu süßer Wortschwall, der für meinen Geschmack ein bisschen zu aufgesetzt ist. Aber ich wäre wohl ein anderer Mensch, hätte ich aus den eigenen Fehlern gelernt.
Denn das habe ich offensichtlich nicht!
Schlimmer noch: In meinem Kopf ergab alles einen Sinn. Das Gespräch mit Sean, die zufällige Bekanntschaft mit Aileen und auch Tylers unangekündigtes Erscheinen. Ich erkannte darin meinen einzigen Ausweg. Wenn man so will, sogar die leichteste Lösung für all meine Probleme.
Jede Sehnsucht, die sich einst in mein Denken stahl, als ich Ty erstmals in die Arme gelaufen bin, würde ihre Erfüllung finden. Die Krankheit wäre überlistet, weil wir mit Tylers Elektronikergehalt durchaus über die Runden kommen würden und selbst Sean steht ein erfülltes Leben bevor, nur dass Aileen an meiner Stelle für sein Glück sorgen würde.
So weit, so gut! Das Ziel stand fest, wie der Weg aussehen wird, wusste ich zu der Zeit noch nicht, nichtsdestotrotz konnte ich es mir nicht erlauben, untätig herumzusitzen und zu warten. Ich wollte handeln! Dass ich bei jeder meiner Überlegungen die Rechnung ohne die anderen Statisten machte, die für diesen Stunt unabdingbar sind, habe ich selbstverständlich nicht bedacht. Nur die Probleme sah ich vor mir, die aus der Welt geschafft werden mussten.
Zum einen wusste ich noch nicht, wie ich mit Tyler ein Kind zeugen soll ... Unsere besondere ›Beziehung‹ zu Intimitäten hatte schließlich unverändert Bestand. Zum anderen wollte ich es Sean so schonend wie möglich beibringen und das doch bitte nicht kurz vor der Hochzeit seines Bruders. Das wäre herzlos. Und als eine weitere Erschwernis kam hinzu, dass ich noch keine Ahnung hatte, wie ich ihn überhaupt verlassen soll. Tyler könnte mir diesen Mann nie und nimmer ersetzen!
D a war ich also. Erneut bei dem Punkt angekommen, wo ich eigentlich niemals wieder hin wollte. Ich hatte zwei Freunde, saß buchstäblich zwischen zwei Stühlen und schaffte mir zu allem Überfluss auch noch ein zweites Handy an, um das ganze Chaos möglichst übersichtlich zu halten.
Wie lange das gut gegangen wäre, werde ich zum Glück niemals erfahren - ich hasse es, etwas bereuen zu müssen - die vermeintlich schöne Lügenfassade hielt jedoch keine zwei Wochen ...
Sie bricht genau jetzt ein, um genau zu sein.
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