Mein ist dein Herz
meines Bewusstseins.
»Lass hören!«, verlautete ich und ging gefühlsmäßig einen Pakt mit dem Teufel persönlich ein. Schon gut, ich weiß auch selbst, dass ich in letzter Zeit ein wenig spirituell angehaucht bin und alles viel zu sinnbildlich nehme, wer wäre das allerdings nicht, wenn er meinen Befund in der Hand halten würde?
»Nicht hier ... lass uns ein Stück fahren«, schlug sie mir vor. Nachdem ihr mein skeptischer Blick auffiel, fügte sie einen Satz hinzu, der nur wenig überzeugend klang. »Ich bin nicht lebensmüde und werde schon nichts machen, wodurch du einen Unfall verursachen könntest. In meinem Alltag bin ich eine ganz Liebe, nur hatte ich bei unserem ersten Treffen schlechte Laune.«
Wie gesagt, keine allzu glaubwürdige Aussage!
Trotzdem stand meine Entscheidung bereits dann fest, als ich im Inneren der Tankstelle verschwand und meine Tankfüllung beglichen habe.
Lange rede, kurzer Sinn.
Wir verbrachten insgesamt eine Stunde zusammen und Aileen stellte sich tatsächlich als eine durchaus annehmbare Persönlichkeit heraus. In summa summarum, gleichen wir uns in vielerlei Hinsicht, nur dass ich ein Stück weniger verbittert bin, als sie. Das liegt aber sicherlich nicht zuletzt daran, dass ich immer noch Seans Freundin bin, wohingegen sie den Ex-Status trägt.
Aileen hat Sean wirklich geliebt. Auf ihre Weise, die - wie sie nun festgestellt hatte - manchmal nicht ganz richtig war. Alldem ungeachtet, ein liebendes Herz, ist und bleibt, was es ist.
Um ihrer Liebe gerecht zu bleiben, oder einfach nur die Trotzigkeit ihres Charakters zu präsentieren - das weiß ich selbst nicht genau - warnte Aileen mich davor, Seans Geduld und Gutmütigkeit auszunutzen. Und auch wenn ich dies gerade noch so ignorieren konnte, geht das nicht im Bezug auf ihre Schilderung von dem großen Aus. Diese führt mir deutlich vor Augen, dass ich bereits für ein nicht ganz angenehmes Déjà-vu gesorgt habe.
Zwar war mein Motiv, anders als bei Aileen, nicht der, dass ich ihn eifersüchtig machen wollte, allerdings schlugen wir beide dabei über die Stränge ... Der Typ, mit dem sie Sean betrogen hat, hat seit dem Abend ihrer unsanften Enttarnung ein leicht entstelltes Gesicht, während mein hitzköpfiger Freund eine Strafanzeige wegen Körperverletzung, ein gebrochenes Herz und eine wichtige Lehre davongetragen hat.
Nun ist auch klar, wer oder was den ›Wilder‹ an die Oberfläche befördert hat, welchen alle kennen und den ich nun - zumindest laut Aileens Behauptung - im Begriff bin zu zähmen. Wobei ich wirklich zugeben muss, dass ich den Mann, der Sean einst war, beileibe nicht kenne. In meiner Gegenwart war er niemals so kalt, wie von ihr beschrieben.
Zeitgleich erkenne ich, dass das alles der Wahrheit entspricht. Es sind dieselben Worte, die mir in Erinnerung kommen, wenn ich in der Zeit zurückgehe und mich an die unzähligen Warnungen erinnere, die mir damals zu Ohren kamen.
Alles in allem, weiß ich nicht, ob ich dieses Gespräch bereuen sollte, oder nicht. Aileens letzte, an mich gerichtete Sätze haben sich wie Unkraut in meinem Kopf festgesetzt. Noch immer sehe ich deutlich vor mir, wie sie drangesessen ist, die Hände in ihrem Schoß verschränkt und traurig auf einen Punkt starrte, unterdessen die eigens von ihr zusammengebraute Bitterkeit ihre Lippen verließ und sich über mein Herz hängte.
»Ich hoffe, du bist mir nicht böse, wenn ich dir sage, dass ich die bessere Wahl für Sean bin. Gibst du ihn frei, schwöre ich dir, dass ich ihn trösten werde. Um ehrlich zu sein, habe ich nur darauf gewartet, dass er seinen ersten Frust ablegt. Als er dann mit dir ankam, wusste ich sofort, dass es so weit ist, und erkannte etwas, was dir entgeht, sobald ich erfuhr, dass du Tylers Freundin bist. Er ist deine erste und große Liebe und du hast nur deswegen an ihm und dieser Beziehung festgehalten, weil dein Unterbewusstsein eben das erkannt hat. Demnach war mein Benehmen und der Versuch, dich von Sean loszueisen gar nicht so unangemessen, wie es anfangs scheint. Es ist lediglich das Glück von uns allen, welches ich im Blickfeld behalte. Und nun möchte ich dir ans Herz legen, dass du vorher gut überlegst, was du machst, ehe du weiterhin Seans Gefühle ausnutzt. Von deinem Tun hängen mehrere Leben ab!«
Als sie ausstieg, wusste ich, dass sie bei mir irgendeinen Mechanismus in Gang gesetzt hat, welcher mich in absehbarer Zeit zu einem der gegenüberliegenden Ufer meiner Gefühlswelt treiben wird. Eine
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