Mein ist dein Herz
dumm zu sein scheint.
Die Liebe zu meinem Bruder in alle Ehre, aber ist es fair, dass ich andauernd wegen ihm zurückstecken muss?
Aus irgendeinem undefinierbaren Grund bin ich mir nämlich mehr als sicher, dass ich Jane nur dann für eine gemeinsame Zukunft gewinnen kann, wenn wir zusammenwohnen. Nur in dem Fall könnte ich ihr zeigen, dass wir zwei ein gutes Pärchen abgeben.
»Ich habe Angst, dich andernfalls zu verlieren ... Jedes Mal, wenn du wegfährst, denke ich darüber nach, wie du in deiner Wohnung sitzt und dich in deiner Einsamkeit verlierst. Du entgleitest mir und der realen Welt ... Mir kommt es sogar so vor, als ob es sehr rücksichtslos wäre, dich an dieses Los zu binden. Dass du glücklicher wärst, könnte ein Mann in deiner Nähe sein, um dich jeden Abend in den Arm zu nehmen und dir sagen, wie wunderbar du bist ...«
Ihr Schluchzen durchbricht meinen Gedankengang, den ich erstmals laut vorgetragen habe. Und als ich diesmal meine Arme nach ihr ausstrecke, schrickt sie nicht zurück. Wie ein kleines Kätzchen schmiegt sie sich an mich, lehnt ihre glühende Wange an meine Brust und streichelt über meine Seite.
»Tyler ist doch der bessere Mann für dich. Egal, wie oft ich mir auch einzureden versuche, dass er es nie und nimmer verdient hat, in deiner Nähe zu sein, hast du jemanden verdient, der dir all das bieten kann, wozu nur er in der Lage ist.«
»Das ist Unsinn, Sean!«
»Ist es eben nicht. Bis ich dir auch nur die Hälfte von dem gebe, was er einfach so aus dem Ärmel schütteln kann, vergehen Jahre.«
Sie zuckt mit den Schultern. »Erstens: Du gibst mir viel mehr, als er jemals könnte, nur eben auf einer anderen Ebene ... Zweitens: Er kann zwar, hat es jedoch niemals ernsthaft in Erwägung gezogen, auch nur einen Finger für mich krumm zu machen. Und schließlich drittens: Ich kann durchaus warten.«
Welch erwachsenes, verständnisvolles und doch naives, kleines Ding sie doch ist ...
»Du kannst warten, der Tumor hat aber darauf geschissen, was du für Pläne machst! Und auf eben jene Option will ich einfach nicht verzichten, die uns entgeht, sollten wir uns zu viel Zeit lassen.«
Ihre langen Wimpern legen den Blick frei auf die glänzenden Iriden, denen der Mond einen nahezu silbernen Farbton verleiht. Ich muss heftig schlucken, weil in ihnen so viel Gefühl verborgen liegt, wie man es selten bei einem dermaßen in sich gekehrten Menschen erkennen kann.
Zum ersten Mal, seit der allerersten, gemeinsam verbrachten Nacht, gewährt sie mir einen Einblick in ihre Seele. Und das ist ein irrsinnig intensives Erlebnis. Intimer noch, als Sex.
Die Wünsche, allesamt an Hoffnungen geknüpft, die sie bestimmt noch in der Kindheit geformt hat, als sie mit ihren Puppen spielte und sich dabei ihre Zukunft ausmalte, trägt sie auf ihrem herzförmigen Gesicht zur Schau. Allerdings liegt über ihnen, wie auch über den Augen, ein dunkler Schatten. Die Bürde unserer Verantwortung verwandelt sich eben viel zu oft in ein imaginäres Schild, welches in aller ersten Linie unser Glück von uns fernhält. Und das ist es auch, was ihr derzeit widerfährt. Aufgrund von dem, dass Jane sehr aufmerksam ist und allen ihr Verständnis entgegenbringen will, verbietet sie sich, ihre Bedürfnisse über die der anderen zu stellen.
Hierbei meine Frage an das Schicksal selbst: Findest du es fair, so ein tolles Mädchen zu bestrafen? Herrgott, sie ist doch gerade Mal über die zwanzig geschlittert!
Aber ja, ich vergaß, dies ist noch kein Drama. Es hätte sie noch schlimmer treffen können. Zudem gibt es tausende Menschen da draußen, die ebenfalls absolut unverschuldet in der tiefsten Scheiße sitzen. Ich bin trotzdem so ein selbstbezogenes Arschloch und sage, dass mir das scheißegal ist. Diese Leute sind mir fremd. Ich liebe sie nicht, Jane hingegen ist die alleinige Besitzerin meines Herzens, welches derzeit blutet.
Und nein, ich sehe es nicht ein, wieso es auch Millionen Armleuchter gibt, die sich einen Dreck um das Wohl der anderen scheren, aber dennoch völlig gesund, reich und erfolgreich sind. Ist das im Sinne des Karmas?
»Versprich mir einfach, dass du selbst dann bei mir bleibst, wenn ich meine Weiblichkeit verloren habe und zu einer verbitterten karrieregeilen Tussi mutiert bin ...«
»Ich schwöre dir, dass ich alles in meiner Macht stehende tun werde, um es niemals so weit kommen zu lassen. Du wirst die liebevollste Mutter sein, die ein Kind nur haben kann und eine in jeder Hinsicht
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