Mein ist dein Herz
letzten Lichtblick: Die Zeit selbst! Sie spielt doch bekanntlich demjenigen zu, der sich in Geduld übt! Und ich kann, weiß Gott, sehr geduldig sein.
Jedenfalls reift ein neuer Plan in meinem benebelten Verstand heran, der sich auf den Umstand stützt, dass Jane nicht allein gefahren ist. Auch wenn sie gleich bei Tyler ankommt, wird sie ihr eigener Körper - unser Baby - an mich erinnern. Das ist meine kleine Versicherung dafür, dass ich meine Liebe niemals an einen anderen verliere. Niemand kann ein Kind mehr lieben, als seine Eltern und ich bin der Vater dieses Babys. Nie und nimmer könnte ich den beiden den Rücken zukehren. Während Tyler wiederum nicht lange mitmachen wird.
Er ist viel zu egoistisch und liebt sie nicht einmal, sondern vielmehr die Tatsache, dass er sich seine nicht existente Männlichkeit durch ihre Unterdrückung bezeugen kann. Das ist so krank, dass mein Magen rumort, sobald ich daran denke, wie oft er sie schon angegriffen hat.
Diese düsteren Gedanken abschüttelnd, schiebe ich das leere Glas - es ist das Siebte oder Achte - das ich in petto habe, von mir weg und komme schwankend auf die Beine. Eigentlich gibt es das unterschwellige Bedürfnis, den nächsten Rutsch zu bestellen, ich rufe mich allerdings zur Ordnung. Ich habe mir bereits diese Schwäche gegönnt, nun muss es aber wirklich wieder gut sein! Es bringt nichts, wenn ich mich volllaufen lasse. Mir bleibt nun so oder so nichts anderes übrig, als zu Fuß nach Hause zu gehen und meinen Rausch auszuschlafen. Morgen schaut die Welt bestimmt viel besser aus.
Zunächst aber sollte ich meine volle Blase leeren ...
N ach einem eingehenden Betrachten meines Spiegelbildes genehmige ich mir eine kalte Gesichtsdusche, indem ich mich mit beiden Händen am Waschbeckenrand abstütze und mein Gesicht direkt unter den Wasserstrahl halte.
So ist es viel besser!
Und nun, da es auch noch trocken ist, schaue ich so frisch aus, wie ein Gürkchen!
Natürlich sind meine Augen trotzdem gerötet und der Ausdruck leicht verklärt, trotzdem bin ich bereit, mit Optimismus in die Zukunft zu blicken. In Zukunft sollte ich einfach noch mehr Überstunden schieben, denen ich die aktuell gut gefüllte ›hohe Kante‹ zu verdanken habe. Außerdem kann es mich davor bewahren, die ansonsten freie Zeit mit Grübeln zu verbringen.
Überhaupt muss ich mich an die Einstellung gewöhnen, in Zukunft viel verantwortungsbewusster zu sein. Das ist unabdingbar, wenn ich Jane davon überzeugen will, mit mir zusammenzuziehen! Und das wünsche ich mir wirklich von ganzem Herzen!
Ich richte noch notdürftig meine Haare und spüle den grässlichen Geschmack aus meinem Mund, ehe ich die Männertoilette verlasse. Mein Blick bleibt sofort an Jonas heften, den ich bei meiner Rückkehr in das Café nicht angetroffen habe und nun ansteuere, um ihn darum zu bitten, mich nach Hause zu fahren. Auf halbem Weg zu ihm fällt mir eine weitere Person auf, die ihn anvisiert hat.
»Jane!«, flüstere ich und erstarre.
Im ersten Augenblick meine ich, dass dies eine Fata Morgana ist. Eine Wunschvorstellung, die dank dem Alkohol visuell in den Raum eingefügt wurde. Dann aber setze ich mich in Bewegung. Die Tränen in den Augen dieser Frau sind viel zu reell, als das ich weiterhin denken könnte, sie wäre das Produkt meiner Einbildung!
Mir wird zudem schlagartig klar, dass ich ihr zuvorkommen muss. Weil Jonas - sofern er die ganze Zeit über da war, wovon ich auch ausgehen muss - ganz genau weiß, was ich gemacht habe. Und wenn es eins gibt, was Jane auf den Tod nicht ausstehen kann, dann sind es betrunkene Männer. Vor allem jetzt nicht, da ihr Wahrnehmungsvermögen durch die Schwangerschaft geschärft ist.
Ich will sie nicht verärgern. Anders formuliert: D ARF ich das unter keinen Umständen machen.
Unmittelbar, bevor sie Jonas erreicht, baue ich mich vor ihr auf. Er wird erneut ohne ein Wort von uns stehen gelassen, weil ich Jane in eine andere Richtung lotse. Und erst jetzt erlaube ich meiner Freude und Verwunderung nach draußen zu dringen, komme ihr aber dennoch nicht zu nahe. Des Alkoholgeruchs wegen ...
»Was ...?«, frage ich und nehme dabei ihre zitternden Hände in die meinen. Janes Finger sind eiskalt, ihre Lippen leicht bläulich und der Blick verklärt.
»Die Brücke ...«, wispert sie und starrt scheinbar an mir vorbei.
»Brücke?«
»Ja ... die eine, welche immer meine Sorgen aufbewahrt ... ich konnte nicht unter ihr durchfahren«, erklärt sie, nur dass ich
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