Mein ist dein Herz
Bewusstsein verliere.
Was mich im Endeffekt wieder aufweckt, kann ich nicht genau sagen. Es könnte der heftige Husten sein, der mich erschüttert, oder aber das wildschlagende Herz in meiner Brust.
Kaum einen klaren Gedanken gefasst, erinnere ich mich jedoch an Jane und zerre wie ein Wahnsinniger am Gurt herum, der mich am Sitz festnagelt.
Kopfüber hänge ich in dem, was von meinem Wagen übrig geblieben ist und glaube, an dem Rauch ersticken zu müssen, der sich im Innenraum ausbreitet. Wenn ich raten müsste, täte ich sagen, dass es am Öl liegt. Da gibt es aber noch irgendeinen üblen Chemiegeststank, der meine Annahme revidieren lässt. Nur eines weiß ich mit ziemlicher Sicherheit: Es wird nichts passieren, solange niemand mit einem Feuerzeug antanzt. Dennoch sollte ich schleunigst hier rauskommen.
Meine Hand ertastet endlich den Verschluss. Mit einem ›Klack‹ stürze ich mit dem Kopf voran in die Glasscherben, die mir an mehreren Stellen in die Haut schneiden.
Egal!
Unwichtig!
Auf den Ellbogen robbe ich aus dem Wrack, ignoriere das Surren und den Schwindel, und suche verzweifelt nach Jane. Die ganze Umgebung verschwimmt vor meinen Augen. Es kommt mir vor, als ob es ein Traum wäre.
Circa dreihundert Meter hinter mir vernehme ich schließlich eine Bewegung und stolpere darauf zu. Mehrmals falle ich hin, weil ich nahezu gar nichts sehen kann. Dann aber komme ich endlich bei Jane an, die in einer gekrümmten Haltung daliegt und am ganzen Körper erbebt.
Ich falle neben ihr auf die Knie, ziehe sie in meine Arme und wische ihr hastig die Haare aus dem Gesicht.
Trotz der Dunkelheit erkenne ich, dass sie total bleich ist, und sehe eine dünne Blutspur aus ihrem Mundwinkel herausfließen.
»Scheiße Jane! Beweg dich nicht!«, stoße ich heißer hervor und unterdrücke einen weiteren Hustenanfall.
»Mach ich nicht ...«, wispert sie, schließt die Augen und zieht die Stirn kraus.
»Tut dir etwas weh?«, frage ich.
Sie lacht leise auf - beziehungsweise versucht es - verzieht dann erneut das Gesicht zu einer schmerzverzerrten Grimasse. »Ne! Ist doch nichts Neues, dass ich fünf Meter weit fliege!«
»Sorry Liebling ... Es tut mir so leid!«
Wie leid es mir noch tun sollte, erfahre ich lediglich einen Wimpernschlag später, als Jane sich erneut zusammenkrümmt, ihren Bauch festhält und einen erstickten Schrei ausstößt.
Das Nachfolgende gehört eindeutig in die Kategorie: Handeln im Affekt. Anders könnte ich nicht erklären, wie ich auf die Idee kam, mit der Hand zwischen ihre Oberschenkel zu fassen. Und obwohl ich weiß, was mich erwartet und darin meine gerechte Strafe sehe, schaffe ich es dennoch nicht, die Tränen zurückzuhalten, als ich meine, in ihrem Blut getränkten Fingerspitzen anschaue.
Die Schluchzer drohen mich zu ersticken, ein qualvolles, herausgeschrienes »Nein« nach dem anderen, verhallt in der Dunkelheit, und als Jane auch noch das Bewusstsein verliert, meine ich auf der Stelle sterben zu müssen.
Noch niemals zuvor habe ich in Anwesenheit einer Frau geweint. Überhaupt musste ich niemals so weinen, wie jetzt ...
Irgendwie - ich weiß beileibe nicht genau wie - gelingt es mir schließlich, die Panik loszuwerden. Mein Denken war im Übrigen niemals klarer, als in diesem Augenblick.
Ich rüttele Jane so lange, bis sie die Lider aufschlägt, und erteile ihr die Anweisung, sich ausschließlich auf meine Stimme zu konzentrieren. Zeitgleich suche ich ihre, mit Erde verdreckte Jacke, nach dem Handy ab und will es eigentlich entriegeln, nachdem ich es ertaste, stelle aber fest, dass es nicht angeht.
Sämtliche Versuche, es anzumachen, scheitern. Und Janes leises »Akku leer« liefert mir auch einen Grund.
»So viel zum Thema ›erhörte Gebete‹, hä? Na was ist G OTT , gefällt dir das Schauspiel, welches du inszeniert hast?«, schreie ich gen Himmel.
Blödsinnig, nicht wahr? Zumal ich eigens die Schuld an dieser Misere trage.
Ich allein bin dran schuld, wenn Jane jetzt stirbt!
Kapitel 38
E s ist nicht der Schmerz, den ich spüre. Auch nicht die Hitze, die von mehreren Stellen an meinem Körper ausgeht und alles an mir zu verzehren scheint ... Selbst den rostigen Blutgeschmack kann ich ignorieren, allerdings nicht Seans schmerzverzerrten Ausdruck. Er weint bitterliche Tränen. Fleht ständig um Verzeihung. Und ich weiß einfach nicht, wie ich ihn beruhigen soll.
Mir ist gänzlich unklar, was geschehen ist. Wie es dazu kam, dass ich nun auf der kalten Erde liege und Sean
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