Mein ist dein Herz
kein Wort verstehe.
Was soll das denn für eine Brücke sein, die ihre Sorgen aufbewahrt?
»Was ist mit ...« Ich schlucke hart, bevor ich diesen Namen ausspreche. »... Tyler?«
»Tot!«
Mir wird schwarz vor Augen. Ich bekomme den Wunsch, Jane an den Schultern zu packen und zu schütteln. Kann sie mir nicht einfach nur eine Aussage geben, mit der ich was anfangen kann?
»Wie tot? Du bist losgefahren und dann ... Was war dann, Jane?«, frage ich leise, was mich unsagbar viel Beherrschung kostet.
»Ich kann ihn nicht mehr beschützen, Sean!«, sagt sie und wird von einer Tränenflut geschüttelt. Zum Glück stehen wir abseits der besetzen Tische und sind hierdurch weitestgehend ungestört. Andernfalls gäbe es jetzt sicherlich unzählige Blicke, die uns taxiert hätten.
»Liebes, ich kann immer noch nicht verstehen, was passiert ist. Warum weinst du?« Jane scheint meine Worte kaum vernommen zu haben, was mich darauf schließen lässt, dass sie unter Schock steht. Vielleicht wäre es sogar sinnvoller, sie von hier wegzubringen. »Komm, fahren wir nach Hause!«, schlage ich schnell vor.
Ohne eine Antwort abzuwarten, ziehe ich sie in Richtung Ausgang. Kaum an der Treppe angekommen, die nach unten auf den Parkplatz führt, erkenne ich den ›kleinen‹ Denkfehler, den ich mir erlaubt habe. In diesem Zustand kann sie unmöglich ein Fahrzeug führen, ergo muss ich ans Steuer ...
Sei kein Frosch! , feuere ich mich an, entriegele mein Auto und halte zunächst Jane die Tür auf. Erst als sie drinnen sitzt, umrunde ich den Wagen, steige selbst ein und mache den Motor an.
Unschlüssig, ob ich jetzt Zeit schinden sollte, oder nicht, lehne ich mich erst einmal im Sitz zurück und betrachte ihr, trotz der geröteten Augen und Wangen, schönes Antlitz.
Ihre Arme hat sie um ihre Mitte geschlungen, ihr bebendes Kinn beinahe auf der Brust abgelegt und sitzt nun so dran, wie ein kleines, beleidigtes Kind. Trotzig und verängstigt zugleich.
Wie gern hätte ich sie in den Arm genommen, ihr gesagt, dass ich für sie da bin und es auch immer sein werde. Aber ich kann nicht!
Verfluchter Alkohol!
Nie wieder werde ich dieses Teufelszeug anfassen! , gelobe ich.
Zum Glück ist der Motor schon warm genug, sodass ich die Heizung aufdrehen kann. Jane taut nun allmählich wieder auf, und sobald ihr Zittern verebbt ist, scheinen auch ihre Gedanken wieder klarer zu werden.
»Ich habe dich gesucht ...«, gesteht sie.
»Mich gesucht?«
»Ja! Ich habe dich zuerst angerufen, aber niemanden erreicht!«
Mist!
»Ich wollte nur auf Nummer sicher gehen, dass ich dich nicht terrorisiere ...«, erkläre ich. ... sobald ich betrunken bin! , fügt mein Verstand unfairerweise hinzu. Ich hole das ›tote‹ Ding heraus und werfe es achtlos in das Fach unter dem Radio.
»Es tut mir leid, Sean! Alles, was ich falsch machen konnte, habe ich auch falsch gemacht.«
»Du bist doch zurückgekommen«, wende ich ein.
»Aber nur, weil unser Baby mich zur Besinnung gebracht hat. Und als ich dann bei dir zuhause ankam, von dir aber jede Spur fehlte, befiel mich so eine Angst, wie ich sie noch nie zuvor empfunden habe ...«
»Was heißt bitteschön ›unser Baby hat dich zur Besinnung gebracht‹?«, unterbreche ich sie.
Jane zuckt mit den Schultern und streichelt nun über ihren schwangeren Bauch. Wobei man die kleine, süße Wölbung in der unteren Region ihrer ansonsten flachen Mitte kaum als solches bezeichnen kann. Es ist einfach nur unser winziges und niedliches Geheimnis.
»Wenn ich in den letzten Tagen nervös oder aufgeregt war, spürte ich ein sanftes Flattern und dachte einfach nur, dass ich mir das einbilde. Heute in der Arbeit stellte ich dann fest, dass es das Baby ist.«
»Du willst sagen, es bewegt sich bereits?«
»Es bewegt sich genau genommen schon mehrere Monate lang, nur habe ich es vorher nicht spüren können.«
Schon wieder falle ich ihr ins Wort, weil ich meine aufkommende Begeisterung kaum zügeln kann. »Und nun kannst du es?«
Sie nickt. »Als ich vorhin weggefahren bin, wurde es schlimmer. Aber erst, als ich mich der Brücke genähert habe, erkannte ich, dass ausgerechnet meine Aufregung diese Reaktion beim Baby hervorruft. Es wollte nicht, dass ich fahre ...«
Gott ist das ... süß, merkwürdig, rührend und herzergreifend zugleich. Ich traue mich nicht einmal laut zu atmen, aus Angst, Jane zu unterbrechen. Sie sagt aber so oder so nichts mehr. Diese Pause lässt mich den Moment und diese Neuigkeit vollends
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