Mein ist dein Herz
anderen abschleppt und nach der Stillung seiner Gelüste gnadenlos fallen lässt. Demnach also nicht gerade der Traummann, dem man unbedingt begegnen möchte.
Sean fällt auf der Stelle auf, dass ich mich in eine reglose Statue verwandelt habe, was unweigerlich dazu führt, dass er sich über mich lehnt und nun voller Ernst in mein Gesicht schaut. Der Zug um seinen Mund verhärtet sich, der Blick sucht scheinbar einen Weg in meine Seele, während seine Finger mir ganz vorsichtig eine Haarsträhne aus der Stirn streichen.
»Mein Ruf eilt mir wohl voraus?«, errät er verdrossen.
Ich zucke, ohne zu zögern, mit den Schultern und begreife erst einen Augenblick später, dass ich dabei bin, selbst über diese Tatsache hinwegzusehen. Allerdings komme ich nicht dazu, meine sich überschlagenden Gedanken zu ordnen, weil Sean sofort von mir abrückt, sich aufsetzt und die Haare rauft. Es ist eine rein intuitive Handlung, als ich mich ebenfalls aufsetze und seinen Rücken umarme.
»Haben wir nicht alle unsere Leichen im Keller?«, flüstere ich ihm zu.
»Die haben wir, aber ...«
»Sieh es so: Ich bin zumindest gewarnt«, sage ich.
Erst jetzt fällt mir überhaupt auf, dass mein Oberteil über der Lehne hängt, und ich beeile mich, hineinzuschlüpfen, um nicht allzu nackt dazusitzen. Ein bisschen zu plötzlich vielleicht, weil es auch anders gedeutet werden kann, wenn man das aktuelle Thema zu einem Motiv für mein Handeln macht. Was Sean aller Wahrscheinlichkeit auch gerade tut, so wie er mich ansieht.
»Ist nicht wahr? Es gibt sogar eine Warnmeldung?«, fragt er spöttisch. Wobei es ein kühles Lächeln ist, das sein Gesicht ziert.
Als ich nicke, wird sein Grinsen noch breiter.
»Ist die mit der bei einem Unwetter vergleichbar oder wird diese so verbreitet, als wäre ein Aufeinandertreffen mit mir, einer Umweltkatastrophe gleichzusetzen?«
»Es gleicht eher einer Schutzimpfung, die man jedem Mädchen injiziert, welche das ›potenziell gefährdete‹ Alter erreicht.«
»Verrätst du mir, woraus sie besteht, oder ist das eine strenggeheime Insiderinfo?«
»Da ich kein Eid ablegen musste, um diese ›Injektion‹ zu bekommen, gehe ich einfach Mal davon aus, dass ich dir das verraten darf«, bedenke ich mit einem Schulterzucken. »Es läuft so in etwa nach dem Schema ›Warnen, begreifen, üben‹ ab. Dazu kriegt man meistens auf irgendeiner Mädchentoilette den Crash-Kurs zum Thema ›Überleben nach einem möglichen Zusammentreffen mit Don Wilder‹. Dabei erfährst du, was du niemals machen solltest, wenn es dazu kommt. Bekommst den Rat zu hören, grundsätzlich zu fragen, worauf das ein oder andere Treffen hinauslaufen kann - weil alle Männer meistens ganz andere Absichten verfolgen, als Frauen - und im Anschluss darauf, wird der Ernstfall geprobt.«
»Krass!«, haucht er erschüttert. »Und ich dachte, dass die Männer ein Rad abhaben ...«
»Gespräche über BH-Größen und Ausdauer?«, rate diesmal ich.
»Nicht nur. Da gibt es auch einen Crash-Kurs für Jungs zum Thema ›Frauen abchecken und ansprechen‹. Der Ernstfall ›Korb‹ wird natürlich nicht geübt, jedoch der des ›fehlenden Gummis‹!«
»Ist nicht wahr!«
»Und ob.«
»Wie funktioniert das?«
»Man bekommt eine Einweisung ins ›männergerechte Improvisieren‹. Vom primitiven Rausholen und mit Socken abwischen, bis hin zum Gummiteppich für jede Jahreszeit, ist da alles dabei.«
»Ähm ...«, hauche ich und unterdrücke ein Schütteln. »... okay, das ist ekelhaft!«
»Nicht so ekelhaft, wie die hirnrissige Idee, die Frau in dem Fall schlucken zu lassen ...«, erklärt er und verzieht nun auch sein Gesicht zu einer angewiderten Grimasse. »Ich bin ja dafür, niemanden zu etwas zu zwingen, was man selbst niemals machen würde!«
Ehe ich mich versehe, verstecke ich mein glühendes Gesicht hinter meinen Händen und wimmere leise auf.
Was für eine grausame Vorstellung! Danke, danke, danke, dass ich das niemals erleben musste!
Wie es dazu kam, dass mein Schicksal mich vor solchen Eskapaden bewahrt hat, obwohl ich mich doch sonst in jedem Fettnäpfchen wiederfinden darf, bleibt wohl ein Rätsel für sich.
»Du erinnerst dich doch nicht etwa gerade an so eine Erfahrung?«, fragt Sean mit unsicherer Stimme.
»Ich frage mich viel mehr, wie ich dem bisher entgehen konnte!«, verlaute ich einen Tick zu schrill, woraufhin wir beide in schallendes Gelächter ausbrechen.
Ein Klopfen kündigt das Erscheinen von Nancy und Dean an, die
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