Mein ist dein Herz
verzichtet.
Nancys entsetzter Blick spricht Bände. Es steht für mich außer Frage, dass ihr die angespannte Gesamtlage gerade erst aufgegangen ist. Die finanzielle Situation einer Familie ist ja auch nicht unbedingt ersichtlich, wenn man lediglich ein Mal im Monat vorbeikommt und Dean hält sich diesbezüglich sichtbar bedeckt.
Diesmal spüre ich pure Erleichterung, als mein Blick an mir heruntergleitet. Ich bin froh lediglich die Freundin zu sein, die höchstwahrscheinlich nur deswegen jenen guten Umgang genießt, weil sie Verständnis hat und pflegeleicht ist. Und obwohl ich anfangs von der Eifersucht gepackt wurde, belehrt mich das Leben gerade eines Besseren.
Es heißt nicht umsonst, dass alles seine Zeit braucht. Hätten Dean und Nancy sich etwas mehr Zeit gelassen, wäre ihr vielleicht aufgefallen, wie es um die Finanzkasse der Wildmanns steht. Sie hätten vielleicht eigenständig nach einer Lösung gesucht und die Eltern vor den Unkosten bewahrt. Nun gibt es für sie kein zurück mehr, nur noch ein Augen zu und durch. Nicht gerade meine Traumvorstellung von einem Start in ein neues Leben.
Je länger ich darüber nachdenke, umso deutlicher wird meine Einsicht, dass ich auf keinen Fall in Nancys Haut stecken möchte! Es verhält sich eher ganz im Gegenteil, dieses Beispiel bestätigt ein weiteres Mal meine Einstellung gegenüber ungeplanten Schwangerschaften: Sie haben das Potenzial in einer Katastrophe zu enden.
Notiz an meine biologische Uhr: Tick ruhig weiter!
Notiz an den Buchführer in mir: Mindestens ein halbes Monatsgehalt zur Seite legen, um den Wildmanns im kommenden Monat auszuhelfen.
Zum Schluss eine imaginäre Verbeugung vor dem Leben selbst. Es freut mich außerordentlich, dass du den Lehrerposten endlich neu besetzt hast! Der Letzte hat es ja so was von vergeigt.
Und apropos vergeigt ... wäre es zu viel verlangt, wenn ich dich um eine Lösung für mein ›Sean - Jane - Tyler‹ Problem bitte?
Kapitel 23
»W oran denkst du?«, frage ich meine bereits seit ungefähr einer Stunde verstummte Freundin.
Sie wird aus ihren Gedanken geradezu herausgerissen, bemerkt erstmals seit unserem Aufbruch, dass sie zwanzig Km/h langsamer fährt, als nötig und deswegen sogar von einem LKW überholt wurde. Amüsant auch, dass ihre Wimpern sogleich in dasselbe Klimpern verfallen, als hätte ich sie in Verlegenheit gebracht. Weniger erheiternd ist aber die Tatsache, dass ich mich nicht mehr erinnern kann, wann sie zuletzt einen ruhigen Eindruck auf mich gemacht hat.
»Daran, wie unangenehm die heutige Situation war«, erklärt sie und umfasst das Lenkrad noch fester, sodass ihre Knöchel weiß hervortreten.
»Es war natürlich blöd, wie Dad auf diese Neuigkeit reagiert hat, das wird sich allerdings bestimmt noch alles legen. Granny hat ihnen schließlich ihre Unterstützung zugesichert, und solange es bei einer Hochzeit bleibt, denke ich nicht ...«
Janes Gesicht erstarrt zu einer unbewegten Maske, unter meiner Hand, die auf ihrem Oberschenkel liegt, vernehme ich ein Zittern, das mich an ihren Gefühlen teilhaben lässt.
»Schatz ...?«
»Oh Gott ... Nein!«, stammelt sie.
»Was?«
»Ich will nicht diejenige sein, die dir das sagt, Sean.«
»Die mir, was sagt?«
Sie lässt die Schultern hängen und gerät offensichtlich in Versuchung, ihre Stirn ans Lenkrad zu lehnen. »Du wirst mich so oder so weiter löchern, nicht wahr?«
»Richtig erkannt.«
Ihren flehentlichen Blick ignoriere ich, ebenso wie das unzufriedene Schnauben.
»Raucherstopp?«
»Wenn du meinst ...«, erwidere ich und untermale meinen Gleichmut durch ein lässiges Schulterzucken. Irgendwie ahne ich bereits, WAS genau Miss Bears mir mitteilen wird ...
Kaum am Rastplatz angekommen, schwingt sie ihre hübschen Beine über die Türschwelle, zündet sich eine Zigarette an und vergräbt ihre freie Hand in ihren Haaren. Typisch mein emotionales Bündel!
»Süße«, flüstere ich und gehe neben ihr in die Hocke. »Wann verstehst du nur, dass du mir alles sagen kannst, ohne meine Reaktion zu fürchten?«
»Ich habe auch keine Angst vor deiner Meinung zu diesem Thema«, antwortet sie ebenso leise. Dabei lehnt sie ihre Stirn gegen meine, und hält mir die Zigarette hin, damit ich an ihr ziehen kann. »Es ist einfach nicht mein Geheimnis!«
»Nancys?«, rate ich. Jane nickt. »Wusste es Dean?« Kopfschütteln. »Meine Mum?« Ihre saphirgrünen Augen werden ein Stück größer, bevor sie ihre verneinende Geste wiederholt. »Ist das
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