Mein ist dein Herz
Gefühl, ihn jetzt verlieren zu müssen, schnürt meine Kehle zusammen und legt mein Herz in Ketten.
Wer diese Tussi ist, woher sie mich kennt und das Wichtigste, was sie überhaupt von uns will, weiß ich noch nicht, ahne allerdings, dass sie eine alte Bekannte von Sean ist. So zumindest meine These, zu der ich bereits in der ersten Minute unserer ›Bekanntschaft‹ gelangt bin.
Ich konnte so etwas wie ein Wiedererkennen in ihrem Gesicht erahnen, als ich mich zu ihr umdrehte. Die nachfolgenden Worte, Sean wäre ein unverbesserlicher Weiberheld - und das ist noch jugendkonform ausgedrückt - deutete ich als Eifersucht. Ihre Körperhaltung hingegen drückte vollste Verzweiflung aus, ergo erinnerte es mich an das Verhalten der Frauen, die von ihm verlassenen wurden.
Aber spielt es nun eine Rolle? Es ist alles vorbei. Meine größte Lüge ist aufgeflogen, sämtliches, in mich gesetztes Vertrauen ist futsch, ebenso wie auch meine Beziehung. Das sehe ich Sean überdeutlich an.
Das Biest ist anscheinend auch zufrieden mit dem Ergebnis, strafft ihre Kleidung, wirft ihr Haar nach hinten und verfällt wieder in ihre ›Ich-leidenschaftliche-Verführerin-Rolle‹.
»Wie auch immer! Solltest du Interesse an einer treuen Geliebten haben, weißt du ja, wo du mich findest ...«, erklärt sie lustbetont, geht haarscharf an Sean vorbei und streift dabei beinahe seinen Mund mit ihren Lippen. Wiedererwarten, regt der sich für keine Sekunde und ich versuche mich so gut, es geht zu beherrschen, um meine aufkommende Eifersucht im Zaum zu halten.
Eigentlich habe ich es gar nicht anders verdient. Selbst wenn er sie jetzt aufgehalten, in seine Arme gezogen und vor meinen Augen abgeknutscht hätte, wäre es unvermindert gerecht mir gegenüber. Dennoch bin ich froh, dass nichts dergleichen geschieht und diese Schnepfe im Inneren verschwindet.
»Ist es das? Das, was zwischen uns steht, meine ich«, fragt er schließlich.
Meine Antwort erfolgt mittels eines einfachen Nickens, das ebenso automatisch kommt, wie sonst immer nur die Wahrheit aus mir herauspurzelt. Eins steht fest: Egal was er wissen will, ich werde ihn nicht belügen.
»Hast du jemanden kennen gelernt?«, fragt er und presst die Lippen aufeinander.
»Nein!«
»Ist es Tyler?« Auch das kommt wie erzwungen heraus.
»Ja!«
Er schließt seine Augen und schaut zu Boden. Das nachfolgende »Liebst du ihn?« bringt uns beide zum Erbeben.
»Nein!«, antworte ich prompt und bekräftige die Abwegigkeit seiner Annahme, indem ich meine Empörung kundtue.
»Schläfst du mit ihm?«
»Nein ...«
»Seid ihr überhaupt irgendwie intim geworden?«
»Nein.«
Er atmet teils erleichtert, teils erschöpft aus, rauft sich die Haare und straft mich mit einem unmissverständlich enttäuschten Blick. »Warum dann? Was hat er, was ich nicht habe? Abgesehen von der tollen Arbeit, dem ganzen Geld und dem Auto, versteht sich. Warum, Jane?«
Seans abwertender Ton schmerzt, ich beiße dennoch die Zähne zusammen. Dieses Verhör habe ich letzten Endes meinem Fehlverhalten zu verdanken.
Wie aber soll ich ihm eine angemessene Antwort auf eine Frage geben, welche ich selbst vergeblich suche?
Es bleibt tatsächlich bei einem lächerlichen Schulterzucken. Tatsache! Mehr habe ich nicht übrig für meine eigene Dummheit.
Sean geht die zwei Schritte, die mich von ihm trennen, fasst mich an den Schultern und ich sehe ihm sofort seinen Hader an. So, als wüsste er nicht, ob er weinen oder schreien sollte.
Merkwürdig nur, dass ich keinerlei Angst verspüre. Auch nicht, als er mich an die Hauswand drängt, den dunklen, unergründlichen Blick auf seine geballte Faust richtet, mit dieser ausholt und unmittelbar neben meinem Kopf einbrettert. Einmal, zweimal, dreimal.
Beim Vierten lege ich meine Hand darunter, schlucke den Schmerz, weil er nicht mehr rechtzeitig abbremsen kann, und verschränke meine Finger mit seinen, sobald er erschrocken nach meiner Hand greift.
»Mir gilt deine Wut, nicht der Wand. Und ich sollte diesen Schmerz spüren, nicht du!«
»Warum nur, Jane? Ich verstehe es nicht ...«
»Er hat mir gedroht und da habe ich ...«
»Inwiefern gedroht?«, will er sofort wissen. Der Ernst und die Wut, die ich von seinem Gesicht ablesen kann, zwingen mich förmlich dazu, mit den Einzelheiten herauszurücken. Ich formuliere es so schonend, wie möglich und betone mehrmals, dass es keinerlei Gefühle gibt, die hierbei eine Rolle spielen, außer meinem Mitleid.
Er hört mir immerhin zu.
Weitere Kostenlose Bücher