Mein ist dein Herz

Sehnsüchte, die nach einer Erfüllung lechzen ...«
    Mit gespreizten Fingern streichelt er langsam entlang meines Rückgrats und massiert mir anschließend die Nackenpartie. Wahnsinnig entspannend, aber auch äußerst erregend.
    »Es ist so viel mehr, was ich will, Schatz«, gesteht er schließlich und verteilt ein paar weitaus harmlosere Küsse auf meiner Schulter. »Du verdienst es, Liebe, Vertrauen und Sicherheit zu genießen. Jeden Tag und nicht nur an den Wochenenden. Ebenso wie es dir zustehen sollte, alle Möglichkeiten offen zu haben und stets selbst zu entscheiden, wann du den nächsten Schritt tun willst ...« Dies unterstreicht er, indem er mich in eine innige Umarmung schließt und seine Wange an meine schmiegt. Wir schauen nun sozusagen in dieselbe Richtung, was etwas nahezu Magisches an sich hat. Als wäre dies ein Ritual, mit dem man ein Seelenband knüpft.
    »Abgesehen davon, dass ich hunderte Männer kenne, die widersprechen würden, weil sie mich verachten, schaut die Realität immer anders aus!«, wende ich trotzig ein.
    »Vergiss doch endlich diesen ganzen Bullshit, Jane! Die Gedanken der anderen gehen dich überhaupt nichts an und was deinen Pessimismus anbetrifft, bin ich der Meinung, dass wir die Regisseure unseres Lebens sind. Wir können vielleicht nicht verhindern, dass ein Schauspieler Scheiße baut, dafür aber »Cut« rufen und auf einer Wiederholung bestehen. Dann hängt alles nur von dem ab, wie gut die Kommunikation zwischen dir und deinem Umfeld ausfällt.«
    »Wenn´s nur so wäre ...«, bedenke ich verträumt. »... könnte man ohne Weiteres von vorne anfangen, in der Zeit zurückgehen oder beliebig vorspulen, und solange an einer ›Szene‹ arbeiten, bis sie sitzt.«
    Sean dreht mich in seiner Umarmung und hebt mein Gesicht am Kinn an. »Genau so ist es ja auch ... Was hindert dich daran, alles, was war, zu vergessen und einen Neuanfang zu wagen? Und wenn die Szene nicht gelingen will, gibt es immer noch die Option, die Besetzung auszutauschen oder ein neues Szenario zu schreiben. Alles zu wagen, aber niemals aufzugeben!«
    »Zeigst du es mir?«, flehe ich und versinke in dem flüssigen Farbenspiel seiner Augen. Sämtliche erotische Spannung hat sich scheinbar in Luft aufgelöst, nur der Wunsch, in seiner Zuneigung Halt zu finden, ist geblieben. »Gib mir bitte ein Beispiel dafür, wie man sein verbautes Leben wieder auf die Reihe bekommt. Ich bin nämlich kurz davor, meines als vergeudet zu deklarieren ...«
    »Ich weiß nicht wie und wann, allerdings wirst du sowohl deinen Lebenssinn finden, wie auch viele Leben bereichern.«
    »Deine Worte in Gottes Ohr!«
    Er schüttelt lächelnd den Kopf. »Der ist hierbei überflüssig, mein Engel. Du musst dich nur auf deine innere Stärke verlassen!«
    »Wie weise du manchmal bist«, scherze ich. »Überhaupt nicht, wie ein Einundzwanzigjähriger.«
    »Alter ist nur eine Zahl, Darling ...«
    »Dem kann ich nur zustimmen. Alles scheint lediglich eine Zahl in einer endlos langen Folge zu sein.«
    »Neigst du neuerdings zu philosophischen Ausschweifungen?«, fragt er, nicht ohne Belustigung in der Stimme.
    Ich tauche mit einem Schulterzucken unter Wasser und frage mich sogleich, warum es mir plötzlich so schwer fällt, mit Sean ein ernsthaftes Gespräch zu führen. Im Chat, am Telefon oder per SMS klappt das wunderbar. Dort könnten wir stundenlang miteinander reden, ohne dass uns die Themen ausgehen oder es unangenehm wird. In der Realität werde ich allerdings immer von irgendwas abgelenkt. Manchmal ist es sein Aussehen, das mich unweigerlich an Tyler erinnert, am allermeisten ist es aber die sexuelle Anziehung, die dazwischen funkt.
    Seit meinem Krankenhausaufenthalt gibt es zudem ein weiteres sehr schmerzvolles Thema: meinen schlagartig erwachten Kinderwunsch. Was einst einfach nur ein Punkt auf meiner Wunschliste des Lebens war, drängt sich nun vollkommen in den Vordergrund. Und jedes Mal, wenn ich nun in Seans Nähe bin, scheint die Erfüllung dieses Wunsches zum Greifen nah zu sein. Und dann verfluche ich zwangsläufig den Umstand, dass er so jung ist und wir noch bei Weitem nicht auf sicheren Beinen stehen. Dies ist der wahre Kommunikationshemmer. Ein triftiger und durchaus berechtigter Grund, für mein Schweigen und die wechselhafte Laune.
    Meine Gedanken werden zuweilen derart unfair, dass ich mich ohrfeigen könnte. Besonders die Idee, dass ich Tyler und Sean am liebsten zu einer Person zusammenfügen würde. Von Tyler hätte