Mein ist dein Herz
ich gern das Alter, sein Streben nach Wohlstand und die Angewohnheit, sich durch nichts aus der Ruhe bringen zu lassen und von Sean den Rest. Die Zärtlichkeit, den Lebensmut, die Kreativität und den unverwechselbaren Charme. Wie aber kreuzt man zwei solch unterschiedliche Wesen? Und wäre das überhaupt etwas, was ich verdient habe? Wohl kaum! Die Vorstellung, jemand von ihnen würde sich so weit verändern, dass er zu meinem Idealbild passt, scheint utopisch zu sein.
Trotzdem halte ich - dumm, wie ich bin - daran fest.
So eine Vernageltheit kotzt an, nicht wahr?
Ich bezeichne dass sogar als krankheitsbedingten Egoismus. Nichts, was mein nachfolgendes Verhalten entschuldigen dürfte und dennoch ...
Kapitel 29
W enn man mich fragt, was schlimmer ist: Selbst eine Chemo zu bekommen, oder dabei zu sein, wenn diese jemandem verabreicht wird, behaupte ich, dass beides gleichermaßen schlimm ist. Janes erste ›Therapiesitzung‹ hat mich eindeutig um ein paar Lebensjahre gebracht.
Die Art, wie sie das Gesicht verzog, sobald die Infusionsnadel in ihrer Haut versank und die Flüssigkeit in ihrem Blut mündete, hat bei mir bereits für ein mulmiges Gefühl in der Magengegend gesorgt. Allerdings sollte das nicht der erste, und auch nicht der letzte Test für meine Nerven sein. Sie fragte unmittelbar danach, ob es normal wäre, dass ES so kalt ist. Und ich brauchte eine gefühlte Ewigkeit, um zu verstehen, dass damit die Infusion gemeint war.
»Beim ersten Mal ist es immer ein bisschen befremdlich«, erklärte die freundliche Arzthelferin, und holte eine dünne Wolldecke aus dem Wandschrank. »Sie werden sich aber daran gewöhnen.«
Fertig! Mehr gab es dazu nicht zu sagen.
Sämtliche Versuche, nachzufühlen, was Jane fühlt, waren zum Scheitern verurteilt. Mir blieb nichts anderes übrig, außer die Decke über ihr auszubreiten, die schlanke, kalte Hand zwischen meine Hände zu nehmen und meiner plötzlich sehr schläfrigen Freundin auf diese Weise beizustehen.
»Es fühlt sich wie Eis in meinen Venen an«, hat sie mir zugeflüstert und sich noch tiefer in die Decke gekuschelt.
»Bald hast du es geschafft«, versuchte ich mich im guten Zuspruch.
»Kalt!«, murmelte sie zur Antwort ohne die Lider zu öffnen. »So kalt!«
Da lag sie dann, still und unbewegt. Zu einer Statue erfroren, die einen nicht so sehr durch die Schönheit ihrer klassischen Gesichtszüge berührt, wie durch die Ergebenheit, mit der sie ihr Los angenommen hat. Außer ein paar neuen Einträgen in ihr ›Red Book‹ und einem wortkargen Telefongespräch mit ihrer Mutter, hat sie sich überhaupt nicht dazu geäußert. Ich konnte mir nicht einmal ausmalen, was in ihr vorgeht und ob es gut ist, dass sie sich scheinbar vor der ganzen Welt verschlossen hat.
Einerseits kann es sein, dass sie es dadurch verarbeitet, andererseits verhalten sich auch die Leute, die sich selbst aufgeben, genauso. Mir bleibt nur die Hoffnung, dass ich einen freien Fall in den Abhang - sofern dieser bevorsteht - rechtzeitig erkenne und sie auffange, bevor sie aufschlägt.
Lediglich eine halbe Stunde später war die erste Therapiestunde vorbei. Die Nadel war entfernt, ein Pflaster aufgedrückt. Aber die Frau, welche ich hinbegleitet habe, ging irgendwo dazwischen verloren. Jane war nimmer Jane, ihr Lächeln nicht mehr aufrichtig und die Müdigkeit mehr als offensichtlich.
Unabhängig davon, wie oft ich sie in den Arm nahm, ihr versprochen habe, dass ich da bleibe, was auch immer auf uns zukommen mag, blieb sie unverändert kühl. Und je mehr Zeit verging, desto penetranter drängte sich mir der Gedanke auf, dass ich machtlos bin. Eine Schnapsidee, die ich in Gedanken kurioserweise an Tyler heftete. Es kam mir so vor, als ob es ihr viel lieber wäre, dass er an meiner Stelle bei ihr wär.
Bereits ein paar Tage später wurde meine unausgesprochene Frage, bezüglich ihres Benehmens beantwortet. Jane hat offenbar beschlossen, eher auf meine Anwesenheit zu verzichten, als sich meinem besorgten Blick zu stellen. Einwände, ausgeschlossen.
Wie oft sie im Endeffekt hingefahren ist - so ganz alleine, meine ich - ehe sie dem Arzt mitgeteilt hat, dass sie auf diese Therapie verzichtet, weiß ich nicht. Nur eins steht fest: Diese Entscheidung hat sie unsagbar viel gekostet, weil es ihre einzige Chance auf eine Genesung war, ohne einer Operation zuzustimmen.
»Willst du mit mir darüber reden?«, habe ich sie nach der Verkündung dieser Neuigkeiten gefragt.
Sie schüttelte den
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