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Mein ist dein Tod

Mein ist dein Tod

Titel: Mein ist dein Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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Psychologen in ein Restaurant und tut, als sei nichts geschehen, willst du sagen?«
    » Nein, das will ich nicht.«
    » Glaube mir, auch ich habe meine Zeit hinter mir. Weinkrämpfe, plötzlicher Schüttelfrost, Fieberanfälle. Aber nach acht oder neun Monaten war das vorbei. Nur der Hass blieb. Der Hass, der Zorn, die Lust zu töten. Hört sich ganz schön scheußlich an, nicht wahr?«
    » Du nimmst kein Blatt vor den Mund.«
    » Alles andere wäre töricht. Wie willst du mir helfen, wenn ich mich nicht offenbare.«
    Max runzelte die Stirn. Er kaute, schluckte und sagte: »In jedem Menschen steckt eine dunkle Seite. Du träumst sie, andere leben sie aus.«
    » Wie diejenigen, die immer wieder auf den Knopf drückten?«
    » Zum Beispiel.«
    » Was wurde aus diesen Menschen? Wie gingen sie damit um, sich in wenigen Minuten zu Monstern verwandelt zu haben?«
    » Darüber weiß man wenig. Die meisten Probanden sprachen nicht darüber. Zu groß war die Scham. Einige sagten, sie seien dankbar, denn nun würden sie in Zukunft gegenüber Obrigkeiten achtsamer sein. Sie schienen das Erlebnis einfach so wegzustecken. Und dann gab es wohl noch eine kleine Gruppe, die gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern versuchte, das Ergebnis zu widerlegen, indem sie glaubhaft machten, sie hätten nur aus Vertrauen gegenüber der Wissenschaft auch den letzten Knopf gedrückt.«
    Lena lachte und es klang metallisch. »Aha! Wenn ein Wissenschaftler sagt, 450 Volt sind harmlos und die Schreie des Schülers unwichtig, dann glaubt man der Wissenschaft? Diese Leute belügen sich. Nicht wenige von ihnen werden noch leben. Ich wette, auch sie haben Träume, schlimme Träume. Und die gönne ich ihnen.«
    » Ja, vermutlich ist das so.« Maximilians Gesicht verdüsterte sich. Lena sah es sofort, doch schon war es wieder vorbei. Stattdessen begann seine Hand mit der Gabel zu zittern. Außerdem wurde der Mann bleich, als habe er sich erschreckt.
    Sie beschloss, das Thema zu wechseln. Sie war nicht in einer Therapiestunde. Sie war privat mit ihm hier. Wenn er es so wollte, würde sie erfahren, was ihn so erschütterte. Ansonsten wollte sie den Abend genießen.
    Sie labten sich an der Nachspeise und schließlich reckte Lena sich unauffällig. Musik säuselte aus versteckten Lautsprechern. Mozart? Chopin?
    Sie sahen sich über die Ränder ihrer Weingläser hinweg an.
    »Und nun?«, fragte Lena.
    Er hatte den Mund geöffnet, als wolle er dieselbe Frage stellen.
    Er stellte sein Glas ab und beugte sich vor. Sie folgte ihm und er nahm ihre Hände in seine. Leise sagte er: »Was ich tue, ist Wahnsinn. Was vielleicht geschieht, ein noch größerer.«
    Sie flüsterte zurück: »Ich wusste es vom ersten Moment an, als ich dich sah. Ich dachte immer, so etwas gäbe es nur in kitschigen Romanen. Aber ...«
    Er führte ihre Hände an seine Lippen und küsste sie. »Ja, Lena. Mir geht es genauso.«
    » Also gibt es das?«, wiederholte Lena. Sie scheute sich davor, es genau auszudrücken, und das war auch nicht nötig, denn Max seufzte, gab ihre Hände frei und sagte mit rauer Stimme: »Das gibt es und ich will verdammt sein, wenn ich jetzt so tue, als wärest du nur meine Patientin. Komme mit zu mir. Nach dem Tod meiner Frau habe ich eine hübsche Wohnung gekauft. Nicht groß, nicht besonders teuer, aber mit einer kleinen Küche, in der ich uns einen Kaffee kochen kann.«
    Mit einer sehr femininen Geste strich sie sich die glatten Haare aus der Stirn zurück über die Schulter. Innerlich bebte sie. Lieber Gott, wie sie diesen Mann begehrte. Er hatte etwas an sich, das sie magnetisch anzog. Sie wusste nicht, was es war, vielleicht etwas Dunkles, ein grauer Schatten, auf alle Fälle etwas Geheimnisvolles. Sie würde ihm keine Zeit für den Kaffee lassen und er schien das zu ahnen.
    » Ja«, sagte sie. »Gehen wir.«

10
     
    Berlin, 1988
     
    George W. Fielding, inzwischen nicht mehr Elvis-Double, sondern ein abgehalfterter Arbeitsloser, bat seinen Sohn in die Garage. Seit Tagen hatte er dort gearbeitet, während Max bei Freunden gewesen war, wo er kiffte und schlief. Ihn zog es nicht mehr oft nach Hause. Erstaunlicherweise litten seine schulischen Leistungen nicht unter der familiären Situation. Er würde, wenn alles so weiterging, bald sein Abitur machen und vielleicht – wenn er irgendwie das Geld zusammenkratzte oder ein Stipendium bekam – studieren.
    Er wusste, was er werden wollte.
    Er würde sich um die Seelen der Menschen kümmern.
    Er würde ergründen,

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