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Mein ist dein Tod

Mein ist dein Tod

Titel: Mein ist dein Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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was in den Tiefen eines Mannes vor sich ging, der vieles im Leben hätte erreichen können, wäre er dem Alkohol aus dem Weg gegangen.
    Er würde erforschen, warum Menschen böse Dinge taten.
    Und er würde hinterfragen, ob dieser Professor, der seinen Vater vor einem Vierteljahrhundert quälte, Recht gehabt hatte.
    Waren Menschen von Natur aus böse?
    Benötigten sie nur einen kleinen Schub, um zum hässlichen Tier zu werden?
    Vielleicht würde er darüber eines oder mehrere Bücher schreiben.
    Und schließlich ergründen, warum ein ganzes Volk hinter einem plumpen kleinen Mann mit Nasenbart hergelaufen war, jüdische Nachbarn, gar Freunde dem Tod überantwortet und schließlich von nichts etwas gewusst haben wollte.
    Er träumte, das Standardwerk über die wahre Natur des Menschen zu verfassen. Dieser Ehrgeiz, diese jugendlichen hochtrabenden Träume retteten ihn.
    Bis der Tag kam, an dem ihn sein Vater in die Garage bat.
     
     
    Die Garage befand sich abseits des alten Hauses. Stabil gemauert inmitten vertrockneter Büsche und abgeholzter Bäume. Ein Bau, den vermutlich sonst niemand hatte haben wollen. Fensterlos, grau und überflüssig. Auch eine Zufahrt gab es nicht, alles war zugewuchert. Alte Steine, seit 30 Jahren vergessen. George hatte sie für ein Auto gemietet, das er nie besessen hatte, ein weiterer Beweis für sein matschiges Gehirn, sagte sich Max. Er folgte seinem Vater, der stolz die rostig quietschende Klapptür öffnete, das Licht einschaltete, die Tür scheppernd schloss und sagte: »Schau es dir an! Habe ich selbst gemacht!«
    Max traute seinen Augen nicht.
    Das hatte Dad ganz alleine gebaut?
    Ein Kasten, groß wie zwei Umzugskartons. Aus Holz mit Metallplatten daran. In Vertiefungen eingelassene Lämpchen, Kippschalter und zwei, nein drei flache Augen mit Zeigern. Das alles wirkte sehr wissenschaftlich, wies eine strenge Dynamik auf und wirkte so echt, wie ein medizinisches Gerät nur wirken konnte. Es war schneeweiß gestrichen.
    George stellte sich dahinter und stützte sich auf. Er strahlte. Dann bückte er sich und schob den Stecker in die Buchse. Die Lämpchen leuchteten geheimnisvoll auf, die Zeiger bewegten sich.
    Rechts daneben gab es einen Tisch, in den eine Hol zplatte eingelassen war, auf der es acht Knöpfe gab. Nur diese acht Knöpfe. Von diesen führten Kabel irgendwohin, wo sie verknotet lagen.
    Bevor Max etwas sagen konnte, wies sein Vater auf einen Stuhl, wie man ihn an Universitäten hatte, einen Schülerstuhl mit Klappfläche für Hefte, Stifte und Bücher. An den Füßen glänzten Metallspangen, auch an den Armlehnen. Ledergurte waren an die Beine genagelt. Wofür die Kippfläche gut war, wenn jemand an dem Stuhl festgeschnallt wurde, stand jetzt auf einem anderen Blatt. Auch von diesem Stuhl baumelten Kabel, die nirgendwohin führten.
    »Und? Was sagst du?«
    An diesem Tag begriff Max, dass sein Vater nicht nur ein Säufer war, sondern ein verdammt irrer Säufer. Er sah ihm in die glühenden Augen und entdeckte dort einen Wahnsinn, vor dem er unwillkürlich Schutz zwischen den eigenen Schultern suchte.
    »Sieht ziemlich ...«
    » Na, na?«
    » Sieht ganz schön super aus.«
    » Ja, das ist es.« George W. Fieldings Gesicht glich einer im Mondlicht durchsichtigen Melone. Max bekam eine Gänsehaut.
    » Und ... was willst du damit tun, Dad?«
    Warum frage ich das? Ich weiß, was er damit tun will!
    »Damit überrasche ich dich, mein Sohn.« Fast zärtlich klangen diese letzten zwei Worte. Der Mann war von sich selbst gerührt. Seine Stimme klang melancholisch, als warte er endlich, endlich auf die Absolution seiner Sünden.
    » Sag mir, dass du nur einen Scherz machst.«
    » Was meinst du damit?«
    » Du willst doch nicht wirklich dieses komische Experiment, von dem du mir erzählt hast, als ich noch jünger war ...« Max verschluckte die restlichen Worte, denn er brauchte keine Antwort zu hören. Er sah sie in den Augen seines Vaters.
    George W. Fielding schob sich hinter der – um der Wahrheit die Ehre zu geben – erstklassig verarbeitete n Apparatur hervor und näherte sich seinem Sohn. Wie ein Baum ragte er vor ihm auf. Obwohl er nüchtern war, dunstete er die Süße des Alkohols aus. Er legte Max eine Hand auf die Schulter. »Ich weiß, wie Menschen sind. Aber ich hoffe, mich zu irren. Vielleicht bin nur ich ein schlechter Mensch. Vielleicht haben sie mich belogen und ich war der einzige, der bis 450 Volt ging. Vielleicht wollten sie mich schonen. Das, Maximilian,

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