Mein Ist Die Nacht
fuhr vor,
diesmal mit einem Fahrer, den er auf Anfang zwanzig schätzte.
Die blonden Haare hingen ihm strähnig ins Gesicht, als er ihn
durch die runden Gläser seiner rahmenlosen Brille nach dem
Ziel fragte. Nickend nahm der Fahrer die Adresse zur Kenntnis und
setzte seine Dieselkutsche in Bewegung.
Er schlug Haken wie
ein Hase, doch auch das war Teil seines Plans. Niemand sollte seine
Spur verfolgen können. Und er war auf dem besten Wege, sein
Ziel zu erreichen. Es vergingen kaum zwanzig Minuten Fahrt, bis das
Taxi vor der genannten Adresse stoppte. Der Fahrer hielt den Wagen
mit tuckerndem Motor am Kreisverkehr zwischen der Wittener
Straße, die bereits auf Wuppertaler Stadtgebiet lag, und der
Schmiedestraße. Hier würde sich seine Spur verlaufen.
Vom Kreisverkehr aus konnte er sich in alle vier Himmelrichtungen
wegbewegt
haben.
Sie würden ihn
nicht finden.
Ein wenig
erschüttert über die Summe entrichtete Kötter den
Fahrpreis, bevor er ausstieg. Es war ein kalter, aber klarer Abend,
das monotone Rauschen der nahen Autobahn erfüllte seine Ohren.
Nachdem das Taxi wieder in der Dunkelheit verschwunden war, setzte
er sich in Bewegung. Niemand interessierte sich für ihn.
Gemächlich spazierte er über den Bürgersteig, vorbei
an dem Fischrestaurant, in dem tagsüber Hochbetrieb herrschte.
Dann hielt er sich rechts und bog in den Eichenhofer Weg ein.
Einzelne Häuser lagen, umzäunt von mehr oder minder
großen Gärten, am Rand der kleinen Straßen. Hier
hatte man mit dem Einbruch der Dunkelheit die Bürgersteige
hochgeklappt. Aber auch das konnte ihm recht sein, und so genoss er
nach den hektischen Tagen und Nächten, die hinter ihm lagen,
die Stille hier draußen vor den Toren der Stadt. Der Vollmond
tauchte die Szenerie in ein kaltes Licht. Sekundenlang stand er
einfach da und starrte fasziniert auf die bleiche Scheibe des
Mondes. Er glaubte, jeden einzelnen Krater auf der Oberfläche
des Erdtrabanten erkennen zu können. Heute erschien ihm der
Mond der Erde noch näher als sonst zu sein. Fast glaubte er
die magische Anziehungskraft des Mondes zu spüren, fühlte
sich davon in den Bann genommen. Dann riss er sich von dem
faszinierenden Anblick los. Vor ihm lag eine parkähnliche
Anlage.
Es war gut, dass er
nicht mit dem Taxi vorgefahren war. Somit war seine Spur nicht bis
hierhin zu verfolgen, und die Polizisten würden ihn hier so
schnell nicht vermuten. Nein, nicht hier. Nicht bei ihr.
Er hatte sein Ziel
erreicht. Das schmiedeeiserne Tor war nur angelehnt und quietschte
leise in den Angeln, als er es aufstieß und passierte. Der
Kies knirschte unter den grobstolligen Sohlen seiner Stiefel. Das
Haus schälte sich aus der Dunkelheit. Es ähnelte einem
kleinen Schloss - die Türmchen an den Ecken wirkten fast
verspielt, und die zahlreichen windschiefen Schornsteine erinnerten
ihn an ein englisches Cottage, das er in einem seiner früheren
Leben einmal bewohnt hatte. Beinahe ehrfürchtig schritt er auf
das prächtige Portal zu. Eine breite Treppe führte zum
Eingang hinauf; die Stufen waren von zwei steinernen Löwen
flankiert. Durch das bunte Tiffany-Glas in der schweren
Haustür sah er, dass drinnen Licht brannte. Er fühlte
sich ein wenig, als käme er nach Hause.
Kai Kötter betrat
die Treppe und wollte soeben einen Finger auf den vergoldeten
Klingelknopf zu seiner Rechten legen, als die Tür wie von
Geisterhand geöffnet wurde und lautlos nach innen
aufschwang.
»Du hast lange
gebraucht.« Lächelnd gab sie den Eingang frei. Sie sah
wundervoll aus.
Fast ein wenig wie
Luzifer.
Ein langes schwarzes
Kleid, das ihre trotz des fortgeschrittenen Alters atemberaubende
Figur vorteilhaft betonte, ein tiefer Ausschnitt, der auf mehr
neugierig machte, und ein Parfüm, das ihm schon im ersten
Augenblick den Verstand raubte.
»Jetzt bin ich
ja da.« Er trat ein, sah ihr zu, wie sie die Tür
verschloss, den Schlüssel zweimal im Schloss drehte, einen
Riegel und schließlich noch eine Sicherheitskette
vorlegte.
Sie war einen Kopf
kleiner als er, und so beugte er sich zu ihr herab, um ihr den Mund
mit einem leidenschaftlichen Kuss zu verschließen. Sie zog
ihn ins Schlafzimmer, wo sie unter dem Austausch von
Zärtlichkeiten auf das breite Bett sanken. Auf das Bett, das
sie bis vor kurzem noch mit ihrem Mann geteilt hatte. Nun war sie
wieder frei. Eine Fürstin, die niemandem Rechenschaft ablegen
musste.
Er schloss die Augen,
als er ihre Lippen auf seiner Haut spürte. Diesmal war er es,
der
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