Mein Ist Die Nacht
sich den Zärtlichkeiten einer Frau hingab. Als er die
Augen öffnete, sah er ihr Gesicht überdimensional
über seinem. Etwas war mit ihren Augen geschehen: Die Pupillen
hatten eine eigenartige gelbliche Färbung angenommen und
glichen den Augen einer Katze.
»Deine
Kontaktlinsen …«, murmelte er, doch sie legte den
Zeigefinger an die Lippen und bedeutete ihm zu schweigen. Er
verstummte ehrfürchtig und lehnte sich zurück. Als sie
den Mund einen Spalt breit öffnete, glaubte er zu
träumen: Kötter sah spitze Eckzähne, die ihm
entgegen blitzten und erschauerte.
»Was …
was hast du vor?«, stammelte er und versuchte sich unter ihr
weg zu winden. Doch sie hatte ihn fest im Griff. Trotz ihrer
zierlichen Statur zeigte sie eine unglaubliche Stärke und
umklammerte ihn mit ihrem Blick.
»Aber, Junge.
Das weißt du doch ganz genau.« Sie beugte sich
über ihn. »Du hast versagt, auf der ganzen
Linie.«
Er wollte etwas
Sinnvolles antworten, sich rechtfertigen, doch dazu fand er keine
Gelegenheit, denn im nächsten Augenblick sauste ihr Kopf auf
ihn herab, und er hatte keine Chance, sich zu wehren. Kötter
spürte ihre spitzen Zähne, die sich unnachgiebig in sein
Fleisch bohrten, dann spürte er den saugenden Schmerz. Ihm
war, als saugte sie ihm das Leben aus den Adern. Kai Kötter,
der Mann, der drei Frauen gedemütigt und zwei von ihnen
getötet hatte, der zwei Männer aus dem Weg geräumt
hatte, weil sie zu einer Gefahr geworden waren, wurde immer
kleiner. Als sich ihre Zähne in seine Halsschlagader bohrten,
spürte er, wie er von innen heraus explodierte. Es war, als
fing sein Körper gerade Feuer. Ein gellender Schrei kam
über seine Lippen, bevor er sich ein letztes Mal
aufbäumte, um dann leblos zurück in die Laken zu
sinken.
83
20.30
Uhr
»Ich bin heute
froh, wenn ich ins Bett komme«, gestand Franka ihm, als sie
das Haus von Klaus Baumann erreicht hatten. Nur mit viel
Überredungskunst war es Micha gelungen, sie zu dieser letzten
Fahrt des Tages zu begleiten. Er hatte es sich nicht nehmen lassen,
Baumanns Computer aus der IT-Abteilung zu holen, um ihn noch heute
seiner rechtmäßigen Besitzerin zu
übergeben.
»Klar. Lass uns
die Kiste abliefern und nach Hause fahren.« Er musterte
Franka. »Kann ich heute noch mal bei dir
pennen?«
»Natürlich.«
Franka stutzte. Micha war ihr sympathisch, und sie schätzte
ihn als Kollegen und als Leiter der Mordkommission. Ihr Typ Mann
war er allerdings nicht. Da gab es einen anderen, der ihr eher
gefallen konnte. Sobald er geschieden war. Somit würde sie
Krügers Einladung zum Essen nicht ausschlagen.
»Hast du
Sehnsucht nach mir, oder ist es mein Sofa, das es dir angetan
hat?« Franka lächelte, und erst, als er das Lächeln
nicht erwiderte, wurde auch sie wieder ernst. »Gibt es einen
Grund dafür, dass du mit zu mir
möchtest?«
»Ja, meine
Heizung ist im Eimer. Und ich hatte nicht vor, morgen als Eiszapfen
zum Dienst zu kommen.«
»Wenn das so ist
- kein Ding.«
»Du bist ein
echter Kumpel.« Micha stieß die Wagentür auf und
stapfte hinaus.
»Danke«,
murmelte Franka. »Das ist genau das, was ich hören
wollte.« Sie richtete den Blick auf das vornehme Haus der
Baumanns, das nun von Karla Baumann alleine bewohnt wurde.
»Dann mal auf in den Kampf, was.«
Micha schloss den Audi
ab und versenkte die Hände in den Taschen. Er umrundete den
Wagen und machte sich am Kofferraum zu schaffen, um sich den
Computer von Klaus Baumann unter den Arm zu klemmen. Stumm stapfte
er neben Franka her. Sie erklommen die breiten Treppen, die zum
Hauseingang führten, und es war ein seltsames Gefühl,
hier zu sein, obwohl sie wussten, dass der Hausherr Opfer eines
kaltblütigen Mordes geworden war, weil er zu viel gewusst
hatte. Eine getigerte Katze streifte um das Haus. Als sie die
Fremden in ihrem Territorium bemerkte, maunzte sie leise, dann ging
sie auf Distanz und beobachtete Franka und Micha. Franka
zögerte, dann legte sie den Finger auf den Klingelknopf, und
sie lauschten dem sonoren Gong, der im Innern des Hauses
ertönte. Es dauerte eine Zeit lang, bis sich Schritte
näherten. Die Tür öffnete sich, und eine sichtlich
verwirrte Karla Baumann stand vor ihnen. Die Haare hingen ihr
strähnig ins Gesicht, das dunkle Kleid, das sie wahrscheinlich
aufgrund der Trauer um ihren ermordeten Mann trug, machte einen
verwahrlosten Eindruck und war fleckig. Als sie die Beamten
erkannte, lächelte sie. Ihr Gesicht und die Hände waren
blutverschmiert.
»Das ist
schön,
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