Mein ist die Stunde der Nacht
sich das Nummernschild notiert. Der Verdächtige entpuppte sich als FBI-Agent, der seine Mutter besuchen wollte. Dann hatten wir zwei Anrufer, denen verdächtige Autos auf Schulparkplätzen aufgefallen sind – Väter, die auf ihre Kinder gewartet haben. Wir hatten einen Irren, der die beiden Morde gestanden hat. Das einzige Problem war, dass er den letzten Monat im Gefängnis gesessen hat.«
»Noch keine Anrufe von Hellsehern?«
»Oh, doch, natürlich. Drei.«
Das Telefon auf Stevens’ Schreibtisch klingelte. Er nahm ab, hörte zu und legte dann eine Hand über den Sprecher. »Der Gouverneur möchte mich sprechen«, sagte er und zuckte dabei mit den Augenbrauen.
Als Sam aus dem Zimmer ging, hörte er den Bezirksstaatsanwalt sagen: »Guten Morgen, Governor. Ja, es ist ein sehr ernstes Problem, aber wir arbeiten rund um die Uhr, um …«
… um den Täter zu finden und ihn seiner gerechten Strafe zuzuführen, dachte Sam. Hoffen wir, dass das passiert,
bevor noch weitere kleine Eulen aus Metall in den Taschen toter Frauen landen.
Einschließlich einer neunzehnjährigen Kadettin in West Point, dachte er, als er den Korridor zu seinem Büro entlangging.
69
»LILY … MEREDITH. LILY … MEREDITH«, flüsterte Jean immer wieder vor sich hin, während sie die Mountain Road hinaufging, die Hände in den Taschen vergraben, die nicht versiegen wollenden Freudentränen von der Sonnenbrille verdeckt.
Sie wusste nicht genau, warum sie gerade diese Richtung eingeschlagen hatte, als sie aus dem Feinkostladen gekommen war, sie wusste nur, dass sie noch nicht zum Hotel zurückwollte. Sie kam an Häusern vorbei, in denen früher Bekannte und Nachbarn gewohnt hatten. Wie viele lebten wohl noch hier?, fragte sie sich. Ich hoffe nur, dass ich niemandem begegne, den ich kenne.
Als sie in die Nähe ihres alten Hauses kam, verlangsamte sie den Schritt. Am Sonntagmorgen, als sie vorbeigefahren war, hatte sie nicht die Gelegenheit gehabt, genauer zu untersuchen, was die jetzigen Bewohner alles verändert hatten. Sie blickte sich um. Es war niemand auf der Straße, der sie hätte beobachten können. Sie blieb einen Augenblick stehen und legte ihre Hand auf den Holzzaun, der das Grundstück jetzt umgab.
Sie haben bei der Renovierung mindestens zwei zusätzliche Schlafzimmer hinzugefügt, dachte sie, während sie das Haus betrachtete. Als wir hier gewohnt haben, gab es nur drei Schlafzimmer, eines für jeden von uns – Mutter, Dad
und mich. Als wir klein waren, hat mich Laura einmal gefragt: »Warum schlafen deine Eltern nicht in einem Zimmer? Haben sie sich nicht lieb?«
Ich hatte in einer Frauenzeitschrift in einer dieser Ratgeber-Kolumnen gelesen, dass man keine Frau dazu nötigen soll, mit ihrem Mann im selben Zimmer zu schlafen, wenn er stark schnarcht. Also sagte ich zu Laura, Dad würde schnarchen. Sie erwiderte: »Das tut meiner auch, aber trotzdem schlafen sie zusammen.«
Darauf sagte ich: »Meine auch manchmal.« Aber das stimmte nicht.
Sie schaute zu den Fenstern im oberen Stockwerk hinauf. Das sind die Fenster zu meinem Zimmer, dachte Jean. Gott, wie ich diese Blumentapete hasste. Sie war so unruhig. Als ich fünfzehn war, habe ich Dad gebeten, die Wände mit Bücherregalen zu bedecken. Für solche Projekte war er immer gut. Mutter war dagegen, aber er hat es trotzdem gemacht. Danach habe ich mein Zimmer »die Bibliothek« genannt.
Ich erinnere mich an den ersten Tag, an dem ich gedacht habe, dass meine Periode ausgeblieben ist, und an die Tage danach, als ich betete, sie möge doch noch kommen. Ich habe Gott versprochen, dass ich alles tun würde, was er von mir verlangte, wenn er mich nur nicht schwanger sein ließe.
Aber jetzt bin ich froh, dass ich es war, dachte Jean stolz. Lily … Meredith. Vielleicht werde ich sie noch an diesem Wochenende sehen. An irgendeinem Punkt werde ich mich bestimmt vertun und sie Lily nennen, dann muss ich ihr das erklären. Obwohl – bis dahin wird sie das vielleicht verstehen. Ich frage mich, wie groß sie wohl ist. Reed war über ein Meter achtzig groß, und er hat gesagt, dass sein Vater und sein Großvater noch größer gewesen sind als er.
Lily ist in Sicherheit – das ist jetzt das Allerwichtigste. Aber Craig Michaelson sagt, dass sie Laura nie begegnet ist.
Demnach kann Laura also auch nichts von den Faxen gewusst haben.
Jean wollte zunächst umkehren und zum Glen-Ridge zurücklaufen, doch dann beschloss sie, bis zu Lauras altem Elternhaus weiterzugehen. Auf der Höhe
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