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Mein ist die Stunde der Nacht

Mein ist die Stunde der Nacht

Titel: Mein ist die Stunde der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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greifen und versuchen, einen Unfall herbeizuführen.
    Er wandte ihr den Kopf zu und lächelte – ein breites, zähnefletschendes Grinsen. Seine Pupillen waren schwarz.
    Mein Handy, dachte sie. Es steckt in meiner Jackentasche. Sie tastete vorsichtig danach. Es gelang ihr, es in die Finger zu bekommen und auf ihre Seite gleiten zu lassen, wo er es nicht sehen konnte, aber bevor sie versuchen konnte, den Deckel zu öffnen und den Notruf zu wählen, schoss die rechte Hand der Eule vor.
    »Wir kommen jetzt in den Verkehr«, sagte er. Seine starken Finger, gekrümmt wie Krallen, griffen an ihren Hals.
    Sie zuckte vor ihm zurück, doch es war schon zu spät. Bevor sie das Bewusstsein verlor, schaffte sie es gerade noch, das Handy hinter sich zwischen Sitz und Lehne zu schieben.
    Als sie aufwachte, war sie an einen Stuhl gefesselt, ihr Mund mit einem Knebel zugeklebt. Im Zimmer war es stockfinster, doch sie konnte die Gestalt einer Frau ausmachen, die auf dem Bett auf der anderen Seite des Zimmers lag. Die Frau trug ein Kleid, das schimmerte und die schmalen Lichtstreifen widerspiegelte, die an den Seiten der undurchlässigen Jalousien durchbrachen.
    Was ist passiert?, dachte Jean. Mein Kopf tut weh. Warum kann ich mich nicht bewegen? Träume ich? Nein, ich wollte zu Laura. Ich bin in das Auto gestiegen und …
    »Du bist wach, Jeannie, nicht wahr?«
    Es kostete Mühe, den Kopf zu drehen. Er stand an der Tür. »Na, war das eine Überraschung, Jean? Erinnerst du dich noch an unsere Aufführung in der zweiten Klasse? Alle
haben mich ausgelacht. Du hast mich ausgelacht. Erinnerst du dich?«
    Nein, habe ich nicht, dachte Jean. Ich hatte Mitleid mit dir.
    »Jean, antworte mir.«
    Der Knebel saß so fest, dass sie nicht sicher war, ob er ihre Antwort verstehen würde. »Ich erinnere mich.« Damit er sie auf jeden Fall verstand, nickte sie mit dem Kopf.
    »Du bist klüger als Laura«, sagte er. »Jetzt muss ich gehen. Ich werde euch beide zusammen hier lassen. Aber bald werde ich wieder da sein. Und dann werde ich jemanden dabeihaben, den du wahnsinnig gerne sehen möchtest. Rate mal, wer das sein wird …«
    Dann war er weg. Vom Bett her hörte Jean ein Stöhnen. Dann stieß Laura unter dem Knebel mit erstickter Stimme, aber dennoch verständlich hervor: »Jeannie … versprochen … Lily nichts zu tun … aber jetzt will er … sie auch … sie auch umbringen.«

80
    UM VIERTEL VOR NEUN, auf dem Weg zum Glen-Ridge House, beschloss Sam, dass es nicht zu früh war, Jean anzurufen. Als sich unter ihrer Zimmernummer niemand meldete, war er enttäuscht, machte sich aber keine Sorgen. Wenn sie gestern Abend auf ihrem Zimmer gegessen hat, dachte er, wird sie wahrscheinlich zum Frühstück in den Kaffeeraum gegangen sein. Er überlegte kurz, ob er sie auf ihrem Handy anrufen sollte, ließ es dann aber bleiben. Bis das Gespräch zustande kommt, bin ich schon fast da, dachte er.
    Zum ersten Mal beschlich ihn das Gefühl, dass womöglich etwas nicht stimmte, als er sie im Kaffeeraum nicht fand, und dann wieder, als sie in ihrem Zimmer immer noch nicht abnahm. Der Rezeptionist konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, ob sie zu einem Spaziergang aus dem Hotel gegangen war. Es war der Mann mit den komisch getönten Haaren. »Das bedeutet nicht, dass sie nicht doch raus ist«, erklärte er. »Am frühen Morgen ist hier immer viel los, weil viele Gäste abreisen.«
    Sam sah, wie Gordon Amory aus dem Aufzug kam. Er trug Hemd und Krawatte und einen augenscheinlich teuren dunkelgrauen Anzug. Als er Sam erblickte, kam er auf ihn zu. »Haben Sie zufällig heute Morgen mit Jean gesprochen?«, fragte er. »Wir wollten uns eigentlich zum Frühstück treffen, aber sie ist nicht gekommen. Ich dachte, dass sie vielleicht
verschlafen hätte, aber in ihrem Zimmer geht niemand ans Telefon.«
    »Ich weiß nicht, wo sie ist«, sagte Sam, der seine wachsende Unruhe zu verbergen suchte.
    »Na, sie war ziemlich müde, als wir alle gestern Abend zurückkamen, vielleicht hat sie es vergessen«, sagte Amory. »Bestimmt werde ich sie später sehen. Sie hat gesagt, dass sie auf jeden Fall noch bis morgen bleibt.« Mit einem kurzen Lächeln und einem knappen Gruß wandte er sich ab und ging zum Hoteleingang.
    Sam griff zu seiner Brieftasche, suchte nach Jeans Handynummer, konnte sie aber nicht finden. Er musste sie in der Tasche des Jacketts gelassen haben, das er am Vortag getragen hatte. Aber es gab jemanden, der sie vielleicht kannte – Alice Sommers.
    Als er Alices

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