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Mein ist die Stunde der Nacht

Mein ist die Stunde der Nacht

Titel: Mein ist die Stunde der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Psychotherapeut.«
    Joy blickte Sam erstaunt an. »Dr. Fleischman! Sam, er ist der beste Ratgeber, den ich je im Fernsehen erlebt habe. Vor ein paar Wochen hat er eine Sendung gemacht, in der es um Kinder ging, die sich zu Hause oder in der Schule abgelehnt fühlen und deshalb emotional völlig verkorkst aufwachsen. Mit solchen Menschen haben wir genug zu tun, oder?«
    »Ja, da hast du Recht. Aber soweit ich unterrichtet bin, hat Mark Fleischman sowohl zu Hause als auch in der Schule viel erleiden müssen«, sagte Sam mit grimmiger Miene. »Kann also sein, dass er von sich selbst gesprochen hat.«
    »Finden Sie jemanden, den wir zur Überwachung abstellen können«, sagte Rich Stevens. »Eine letzte Sache – wir sollten Laura Wilcox als vermisst führen. Es sind jetzt vier Tage vergangen, seit sie verschwunden ist.«
    »Ich glaube, wenn wir ganz ehrlich sind, müssten wir sie als ›vermisst, vermutlich tot‹ führen«, sagte Sam.

79
    NACH LAURAS ANRUF SPRITZTE sich Jean hastig Wasser ins Gesicht, fuhr sich mit dem Kamm durch die Haare und schlüpfte in ihren Jogginganzug. Dann steckte sie ihr Handy in die Tasche, schnappte sich ihre Handtasche und eilte zu ihrem Auto. Der Storm-King-Aussichtspunkt an der Route 218 war etwa eine Viertelstunde Fahrt vom Hotel entfernt. Es war noch früh am Morgen, und es würde nicht viel Verkehr herrschen. Normalerweise fuhr sie eher vorsichtig, doch nun drückte sie den Fuß aufs Gaspedal und beobachtete, wie der Geschwindigkeitsanzeiger die hundert Stundenkilometer überschritt. Die Uhr zeigte zwei Minuten nach sieben an.
    Laura ist verzweifelt, dachte sie. Warum will sie, dass ich dorthin komme? Will sie sich etwas antun? Der Gedanke, dass Laura als Erste dort sein und in ihrer Verzweiflung über das Geländer klettern und sich in die Tiefe stürzen könnte, ließ Jean nicht los. Der Aussichtspunkt befand sich Dutzende Meter über dem Hudson.
    In der letzten Kurve geriet der Wagen ins Schleudern, und für ein paar angstvolle Sekunden war sich Jean nicht sicher, ob sie die Kontrolle über ihn behalten würde. Doch dann griffen die Räder wieder. Von weitem sah sie, dass neben der Aussichtsplattform mit dem Fernrohr ein Auto parkte. Hoffentlich ist es Laura, betete sie. Hoffentlich sitzt sie im Auto. Hoffentlich ist sie noch am Leben.

    Die Reifen quietschten, als sie auf den Parkplatz einbog. Sie schaltete den Motor ab, stieg aus und hastete zu dem Auto hinüber. Sie riss die Beifahrertür auf. »Laura …« Sie erstarrte. Der Mann hinter dem Lenkrad trug eine Maske, eine Plastikmaske, die das Gesicht einer Eule zeigte. Die Augen der Eule, mit schwarzen Pupillen inmitten einer gelben Iris, waren umgeben von weißlichen Flaumfedern, die allmählich ins Braune wechselten und um Schnabel und Lippen dunkel gefärbt waren.
    In der Hand hielt er eine Pistole.
    Entsetzt drehte sich Jean um und wollte weglaufen, doch eine bekannte Stimme befahl ihr: »Steig ein, Jean, sonst wirst du hier sterben. Und nenn mich nicht beim Namen. Es ist verboten.«
    Ihr Wagen stand nur ein paar Meter entfernt. Sollte sie es wagen, hinüberzurennen? Würde er auf sie schießen? Er hatte die Waffe auf sie gerichtet.
    Vor Angst gelähmt, blieb sie stehen. Sie versuchte, Zeit zu gewinnen, und setzte langsam einen Fuß in das Auto. Ich springe zurück, dachte sie. Ich ducke mich. Dann muss er aussteigen, um mich zu erschießen. Vielleicht schaffe ich es bis zu meinem Auto. Doch mit einer blitzschnellen Bewegung packte er sie am Arm und zog sie in den Wagen, dann beugte er sich vor und zog die Tür zu.
    Ohne ihr Gelegenheit zu geben, sich zu besinnen, setzte er den Wagen zurück und bog auf die Route 218 in Richtung Cornwall. Er riss sich die Maske vom Gesicht und grinste sie an. »Ich bin die Eule«, sagte er. »Die Eule. Du darfst mich nie mit einem anderen Namen anreden. Hast du verstanden?«
    Er ist verrückt, dachte Jean und nickte. Es waren keine anderen Autos unterwegs. Und wenn ihnen doch eines entgegenkam, sollte sie sich dann vorbeugen und die Hupe betätigen? Es war besser, unterwegs etwas zu versuchen und nicht zu warten, bis er sie an irgendeinen Ort gebracht hatte,
wo sie niemanden zu Hilfe holen konnte. »Ich b-b-bin d-die Eu-Eule, und ich l-l-lebe in ei-ei-ei-nem …«, grölte er. »Weißt du noch, Jeannie? Weißt du noch?«
    »Ja …« Im letzten Augenblick konnte sie sich zurückhalten, sonst hätte sie seinen Namen ausgesprochen. Er will mich umbringen, dachte sie. Ich muss ins Lenkrad

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