Mein ist die Stunde der Nacht
berührte den Schriftzug mit Alisons Namen auf dem Grabstein, dann wandte sie sich zum Gehen, und Jake bemerkte, dass sie sich zu freuen schien, als sie Dr. Fleischman erblickte. Sie gingen zusammen auf die Schule zu.
Bevor er reagieren konnte, hatte ihm eine der Schülerinnen, welche die Rosen austeilten, ebenfalls eine in die Hand
gedrückt. Jake hatte nicht sehr viel mit Zeremonien am Hut, dennoch schickte er sich an, seine Rose zu den Übrigen zu legen. Als er sich dem Grabstein näherte, fiel ihm etwas ins Auge, das auf der Erde lag. Er bückte sich und hob es auf.
Es war eine Anstecknadel aus Metall in Form einer Eule, etwa zwei Zentimeter groß. Jake konnte auf den ersten Blick erkennen, dass sie höchstens ein paar Dollar wert war. Vielleicht gehörte sie einem Kind – oder einem Naturschützer, der sich für die weltweite Rettung der Eulen einsetzte. Zuerst wollte Jake sie wieder wegwerfen, doch dann änderte er seine Absicht. Er wischte sie trocken und steckte sie in die Tasche. Bald war Halloween. Er würde sie seinem kleinen Cousin schenken und ihm erzählen, dass er sie extra für ihn aus einem Grab ausgegraben hätte.
27
JEAN WAR ENTTÄUSCHT, dass Laura sich nicht die Mühe gemacht hatte, zur Gedenkfeier für Alison zu kommen, aber gleichzeitig war sie nicht sonderlich überrascht. Laura hatte sich noch nie Umstände wegen jemand anders gemacht, und es wäre sinnlos, zu glauben, dass sie sich in diesem Punkt je ändern würde. Es sah ihr ähnlich, dass sie es vorgezogen hatte, erst zum Brunch zu erscheinen, statt draußen in Kälte und Regen herumzustehen.
Als jedoch das Essen schon zur Hälfte vorüber war und Laura sich immer noch nicht hatte blicken lassen, begann Jean unruhig zu werden. Sie teilte ihr Gefühl Gordon Amory mit. »Gordon, ich weiß, dass du gestern viel mit Laura zusammen warst. Hat sie irgendetwas erwähnt, weshalb sie heute nicht kommt?«
»Wir haben uns nur beim Mittagessen und während des Spiels unterhalten«, korrigierte er. »Sie hat sich mächtig ins Zeug gelegt, um mich zu überreden, ihr die Hauptrolle in unserer neuen Sitcom zu überlassen. Ich habe ihr erklärt, dass ich mich grundsätzlich nicht in die Arbeit der Leute einmische, die bei mir für das Casting zuständig sind. Als sie weiter auf mich eindrang, habe ich sie etwas unhöflich darauf hingewiesen, dass ich in diesem Punkt keine Ausnahmen mache, schon gar nicht für weniger begabte Bekannte aus der Schule. An diesem Punkt gebrauchte sie einen etwas unfeinen
Ausdruck und wandte ihren Charme unserem unerträglichen Vorsitzenden Jack Emerson zu. Wie du vermutlich mitgekriegt hast, lässt er keine Gelegenheit aus, mit seinem beträchtlichen Vermögen zu prahlen. Außerdem hat er gestern Abend fröhlich bekannt gegeben, seine Frau habe ihn soeben verlassen, somit dachte Laura vermutlich, sie hätte freie Bahn.«
Laura schien beim Dinner in guter Stimmung zu sein, dachte Jean. Und es ging ihr gut, als ich vor dem Essen auf ihrem Zimmer versucht habe, mit ihr zu reden. Ist später am Abend vielleicht etwas schiefgelaufen? Oder hat sie bloß beschlossen, heute Morgen auszuschlafen?
Zumindest das kann ich herausfinden, dachte sie. Sie saß zwischen Gordon und Carter Stewart am Tisch. Mit einem »Bin gleich wieder zurück« erhob sie sich und ging zwischen den Tischreihen hinaus, dabei darauf achtend, niemandem in die Augen zu schauen. Das Essen fand im Theatersaal statt. Sie trat auf den Flur, der zum Klassenzimmer der Erstklässler führte, und wählte die Nummer vom Hotel.
Doch Laura ging nicht ans Telefon. Jean zögerte und bat dann, mit der Rezeption verbunden zu werden. Sie nannte ihren Namen und fragte, ob Laura Wilcox bereits abgereist sei. »Ich mache mir etwas Sorgen«, erläuterte sie. »Miss Wilcox sollte sich eigentlich mit uns treffen, aber sie ist nicht erschienen.«
»Also, abgemeldet hat sie sich nicht«, sagte der Angestellte freundlich. »Ich könnte natürlich jemanden hinaufschicken, um festzustellen, ob sie verschlafen hat, Dr. Sheridan. Aber wenn sie wütend wird, ist es Ihre Schuld.«
Das ist der Typ, dessen Haarfarbe zur Theke passt, dachte Jean, die sowohl Stimme als auch Tonfall wiedererkannt hatte. »Ich übernehme die volle Verantwortung«, versicherte sie ihm.
Während sie wartete, ließ Jean ihren Blick über den Flur schweifen. Meine Güte, es ist, als wäre ich nie weg gewesen,
dachte sie. Miss Clemens war in der ersten Klasse unsere Klassenlehrerin, und ich saß auf dem
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