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Mein ist die Stunde der Nacht

Mein ist die Stunde der Nacht

Titel: Mein ist die Stunde der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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ging. Die Lichter von Cold Spring, der Stadt am gegenüberliegenden Ufer, waren nur noch schwach sichtbar, nachdem sich Nebelschwaden herabgesenkt hatten. Hoffentlich ist der Nebel morgen wieder verschwunden, dachte Jake. Er wollte noch zur Gedächtnisfeier am Grab von Alison Kendall gehen und dann am Nachmittag ins Kino. Er hatte gehört, dass bei der Gedächtnisfeier auch die Namen der vier anderen ehemaligen Schülerinnen, die gestorben waren, vorgelesen werden sollten.
    Jack kehrte an seinen Schreibtisch zurück und blickte auf das Foto, das er im Archiv gefunden hatte. Das war schon eine seltsame Laune des Schicksals: Nicht nur hatten im letzten Schuljahr alle fünf toten Schülerinnen zusammen mit den zwei Ehrengästen Laura Wilcox und Jean Sheridan mittags immer zusammen an einem Tisch gesessen, sie waren auch
noch in derselben Reihenfolge gestorben, in der sie gesessen hatten.
    Was bedeutet, dass Laura Wilcox wahrscheinlich die Nächste ist, überlegte Jake. Kann das wirklich ein merkwürdiger Zufall sein, oder sollte man es untersuchen? Aber es ist einfach zu verrückt. Diese Frauen sind in einem Zeitraum von zwanzig Jahren gestorben, auf völlig unterschiedliche Weise und an Orten, die über das ganze Land verteilt sind. Eine von ihnen war gerade beim Skifahren, als sie vermutlich unter eine Lawine geraten ist.
    Es muss Zufall sein, schloss Jake. Ein Zufall, das ist alles.

25
    »ICH WÜRDE GERNE noch ein paar Tage länger bleiben«, erklärte Jean am Sonntag früh dem Rezeptionisten, der sich am Telefon meldete. »Wäre das möglich?«
    Sie wusste, dass es möglich sein würde. Alle anderen Gäste des Treffens würden sich nach dem Brunch in Stonecroft auf die Rückreise machen, sodass eine Menge Zimmer frei werden mussten.
    Es war erst Viertel nach acht, aber sie war bereits aufgestanden und angezogen, hatte den Kaffee und Saft getrunken und ein bisschen an einem Muffin geknabbert, der zu dem »kleinen Frühstück« gehörte, das sie sich aufs Zimmer bestellt hatte. Sie hatte mit Alice Sommers verabredet, nach dem Brunch noch einmal zu ihr zu kommen. Sam Deegan würde da sein, und sie würden ungestört miteinander reden können. Sam hatte gesagt, die Adoption müsse amtlich registriert worden sein, auch wenn sie privat arrangiert worden sei, und ein Anwalt müsse die Papiere aufgesetzt haben. Er hatte Jean gefragt, ob sie eine Kopie des Dokuments besitze, mit dem sie die Rechte an ihrem Kind abgetreten habe.
    »Dr. Connors hat mir keine Papiere überlassen«, hatte sie geantwortet. »Vielleicht habe ich auch nichts aufheben wollen, was mich daran erinnert hätte. Ich weiß es nicht mehr genau. Ich war wie betäubt. Ich fühlte mich, als ob man mir das Herz aus dem Körper gerissen hätte, als er sie mir wegnahm.«

    Dieses Gespräch hatte neue Gedankengänge eröffnet. Sie hatte vor, am Sonntagmorgen zur Neun-Uhr-Messe in die Kirche St. Thomas von Canterbury zu gehen, vor der Gedächtnisfeier für Alison. St. Thomas war in ihrer Kindheit ihre Pfarrgemeinde gewesen, und beim Gespräch mit Sam Deegan hatte sie sich daran erinnert, dass Dr. Connors ebenfalls Mitglied der Gemeinde gewesen war. In der Nacht, mitten in einer ihrer schlaflosen Phasen, war ihr eingefallen, dass zumindest die Möglichkeit bestand, dass die Leute, die ihr Baby adoptiert hatten, ebenfalls Gemeindemitglieder von St. Thomas gewesen seien.
    Ich hatte Dr. Connors gesagt, ich wünschte mir, dass Lily katholisch erzogen wird, erinnerte sie sich. Und wenn ihre Adoptiveltern katholisch und zu dieser Zeit Mitglieder von St. Thomas von Canterbury waren, dann müsste Lily dort getauft worden sein. Wenn ich Einblick in das Taufregister für die Zeit zwischen Ende März und Mitte Juni in jenem Jahr bekommen könnte, wäre das ein erster Anhaltspunkt bei der Suche nach Lily.
    Als sie um sechs Uhr aufgewacht war, liefen ihr Tränen über die Wangen, und sie hatte das Gebet geflüstert, das zu einem Teil ihres Unbewussten geworden war: »Lass nicht zu, dass ihr jemand etwas antut. Bitte beschütze sie.«
    Das Büro der Kirche würde am Sonntag geschlossen haben. Dennoch hoffte sie, den Pfarrer – vielleicht nach der Messe – sprechen zu können und einen Termin mit ihm zu verabreden. Ich muss das Gefühl haben, wenigstens etwas zu unternehmen, dachte sie. Vielleicht gibt es sogar einen Geistlichen, der vor zwanzig Jahren mit der Pfarrei verbunden war und sich noch daran erinnert, dass zu dieser Zeit Mitglieder der Gemeinde ein Baby adoptiert

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