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Mein Jahr als Mörder

Mein Jahr als Mörder

Titel: Mein Jahr als Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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aufgeflogen ist. Mit Robert habe ich früher oft darüber gerätselt, mit Grete Rentsch und Maria Richter, wir haben es nie herausgefunden. Ich will nicht mehr räsonieren, ob es einen Verräter am Rand der Gruppe gegeben hat, war ja fast ein Wunder, wenn da keiner auf getaucht wäre, oder ob einer von den Versteckten plaudern musste, ob die Flugblätter oder eine spitzelnde Hauswartsfrau schuld sind, es ist passiert, es ist lange vorbei, ich will darüber nicht spekulieren, auch mit dir nicht!
    Daran hatte ich mich zu halten. Viele Einzelheiten der Geschichte der Europäischen Union werden für alle Zeiten im Dunkel bleiben, da war ich sicher, auch meine geplante Schrift über Groscurth würde daran nichts ändern und mit Girlanden von Fragezeichen geschmückt werden müssen.
    Ein schöner Irrtum. Seit 1989 stehen die Verhör-Akten der Nazi-Staatssicherheit zur Verfügung, die bei der DDR-Staatssicherheit verschlossen waren. Inzwischen sind sogar einige Historiker fleißig gewesen, und heute lässt sich, Schabowski sei Dank, der Krimi über den Verrat der Gruppe skizzieren, das Geflecht von Pech und Dummheit andeuten.
    Das erste Pech fiel buchstäblich vom Himmel, angerührt und vorbereitet vom sowjetischen Nachrichtendienst. Der bildete geschulte Emigranten, ehemalige Spanienkämpfer, als Fallschirmspringer aus und ließ sie, mit falschen Papieren versehen, über Deutschland abspringen und Kontakte zu kommunistischen Widerstandsgruppen auffrischen. Solche Abenteuer lohnten sich selten, die meisten dieser Männer wurden geschnappt, noch ehe sie ihren Einsatz beginnen konnten. Auch der Fallschirmspringer Otto Heppner mit dem Decknamen Klein, der im April 1943 über Ostpreußen gelandet war, geriet bereits im Mai in eine Falle der Gestapo. Er wusste nicht zu verhindern, so geht das Pech weiter, dass sie bei ihm einen Zettel fanden, auf dem unter anderen, offenbar unverschlüsselt, der Name Hatschek stand. Überzeugt vom Sieg der Weltrevolution, hatte man die einfachsten Regeln der Konspiration vergessen.
    Paul Hatschek hatte als Spezialist für Funktechnik und Optik dem sowjetischen Nachrichtendienst in den dreißiger Jahren Informationen über eigene und andere Erfindungen zukommen lassen und hielt Kontakt mit einer kommunistischen Widerstandsgruppe, wurde 1942 verhaftet und aus Mangel an Beweisen wieder auf freien Fuß gesetzt. Bei den von der Gestapo Entlassenen musste man damit rechnen, dass sie weiter beobachtet wurden. Die Kommunisten hielten ihn deshalb auf Abstand, nur Eduard Hinz nicht, der losen Kontakt zur E.-U.-Gruppe hatte. Hatschek suchte Anschluss, lernte durch Hinz Havemann kennen, bewunderte ihn und prahlte mit seinen Moskauer Verbindungen. Havemann wagte, weil ihm an einem Draht in Richtung Sowjetunion gelegen war, seit Dezember 1942 das eine oder andere Gespräch mit Hatschek und machte ihn mit ändern aus der Gruppe der E. U. bekannt. Das dürfen wir heute, bei allem Respekt, als die größte, die Dummheit Nummer 1 bezeichnen. Sie hielten ihn zwar mehr und mehr für einen Phantasten, Wichtigtuer, wenig sympathischen und unsicheren Menschen, sie blieben distanziert, vertrauten ihm nichts an, auch Havemann ging ihm aus dem Weg, brachen aber die Beziehung nicht ab: Dummheit Nummer 2.
    Bald konnte die Gestapo den Fallschirmspringer Heppner alias Klein, wahrscheinlich unter Folter, dazu bringen, das Codewort für den Kontakt mit Hatschek zu verraten: «Onkel Leopold». Warum Heppner in seiner Not nicht «Onkel August» oder «Onkel Herbert» sagte, wir werden es nie erfahren.
    Die Gestapo ging zum Angriff über. Einer ihrer Agenten wurde wochenlang auf die Rolle vorbereitet, den sowjetischen Agenten Klein zu spielen. Da der Name Hatschek ihnen bekannt war, hatten sie leichtes Spiel. Anfang Juli meldete sich der Nazi unter dem Codewort «Onkel Leopold» telefonisch bei Hatschek. Dieser, erst skeptisch und ängstlich, ließ sich, Dummheit 3, von Havemann überreden, den Agenten wenigstens bei einem Lauftreff von zwei Freunden beobachten zu lassen. Der Treff fand statt, aber diese Freunde waren uneins. Einer sagte: Der ist kein russischer Agent, der andere meinte: Es ist einer.
    Hatschek verließ sich, Dummheit 4, auf den zweiten Freund und traf sich nach einer Woche mit dem als Kommunisten getarnten Nazi. Der schien über Details von Hatscheks Spionagetätigkeit informiert und benutzte den richtigen Falschnamen Klein, deshalb hielt Hatschek ihn für glaubwürdig und erzählte gleich bei der ersten

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