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Mein Jahr als Mörder

Mein Jahr als Mörder

Titel: Mein Jahr als Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Begegnung, Dummheit 5, von der Vier er gruppe. Er berichtete Havemann davon, der skeptisch blieb und ihn dennoch, Dummheit 6, zu einem zweiten Treffen ermunterte. Er beauftragte ihn sogar, Dummheit 7, den auf Wirtschaftsspionage spezialisierten Klein um eine Begegnung mit einem politischen Agenten zu bitten. Der falsche Klein wiederum wünschte einen Bericht von Havemann über den
    Stand der Vernichtung durch den Bombenkrieg, den Have-mann, gestützt auf Herbert Richters amtliche Recherchen, mit der Bitte um Weitergabe an den gewünschten politischen Agenten prompt lieferte, Dummheit 8.
    In der Gruppe wurde man immer misstrauischer, Groscurth hielt alles für eine Erfindung von Hatschek, der sich nur interessant machen wolle. «Gegen meinen Rat», schrieb Have-mann 1946 noch mit einigem Stolz an einen Freund, «wurde beschlossen, die Verbindung zu dem unsicheren Agenten vorläufig abzubrechen. Ich war gegen einen Abbruch, solange wir nicht vollkommene Klarheit hatten, und verlangte im Falle, dass wir von seiner Unechtheit überzeugt wären, müssten sofort alle gefährdeten Leute illegal werden.»
    Die Gruppe gab also, vielleicht nur, weil niemand in die Illegalität wollte, Havemanns Drängen nach, Dummheit 9, und ging, Dummheit 10, auf den Vorschlag Hatscheks zu einem Treffen mit den beiden Agenten in der Hardenbergstraße ein. Havemann meinte sich und die Gruppe dadurch zu schützen, dass er Hatschek gegenüber behauptete, nicht er, sondern ein wichtigerer Mann suche den Kontakt. Und er schickte Rentsch vor, weil der Hatschek kaum kannte, er sollte sich das Gesicht des Agenten für eine spätere Begegnung mit Havemann oder dem erfundenen wichtigen Mann einprägen, Dummheit 11. Auf dem linken Bürgersteig, vom Zoo aus gesehen, zwischen Steinplatz und Knie, heute Ernst-Reuter-Platz, liefen der angebliche Klein und der angebliche politische Agent gemessenen Schrittes an Rentsch und Hätschele vorbei. Am Steinplatz beziehungsweise am Knie drehten beide Paare um, bis sie sich wieder begegneten, und wendeten noch einmal für eine dritte Musterung. Die Herren gingen auseinander, doch Hatschek lief danach, Dummheit 12, entgegen der Verabredung, auf Klein zu und redete heftig mit ihm. Rentsch machte sich davon und berichtete Havemann, der an der Gedächtniskirche gewartet hatte. Rentsch hielt das ganze Manöver für äußerst gefährlich, auch sein Freund Richter war empört über solche «Wild-West-Romantik», endlich ließ Havemann von seinen Ambitionen ab. Da es in den folgenden Tagen zu keinen Verhaftungen kam, glaubte die Vierergruppe, den Kontakt rechtzeitig abgebrochen zu haben.
    Doch die Gestapo wusste genug. Während Groscurth in seinem Krankenhaus die Verbindungen zu den ausländischen Zwangsarbeitern ausbaute und ihnen Radioteile beschaffte, Havemann über die politische und wirtschaftliche Einigung Europas in der Europäischen Union schrieb und das vorletzte Flugblatt mit dem Satz Kämpft mit der mächtigen EU für ein freies sozialistisches Europal beendete, während Rentsch falsche Ausweise beschaffte und die in seinem Wochenendhaus versteckten Juden versorgte und Richter weiterhin die Fliegerschäden registrierte, hatte Hatschek, glücklich, endlich wieder mit der geliebten Sowjetunion verbunden zu sein, dem Agenten mehr über die Tätigkeit der Gruppe verraten, als nach den Regeln der Konspiration nötig gewesen wäre. Kurz nach dem Tag ihrer Gründung, dem 15. Juli 1943, hingen die Freunde aus der Europäischen Union dank des Köders Hatschek bereits am Angelhaken der Mörder. Im letzten Satz seines letzten Flugblatts schrieb Havemann, als ahnte er das Unheil, das er selbst befördert hatte: Das Geheimnis der Unverwundbarkeit der Organisation der E. U. darf niemals preisgegeben werden.
    Warum aber, wird man heute fragen, so viele Dummheiten auf einmal?
    Wahrscheinlich aus Ehrgeiz und Eitelkeit ausgerechnet des Mannes, der als Einziger aus der Kerngruppe überlebt hat.
    Aus heutiger, besserwisserischer Sicht ist jede Wertung fragwürdig, aber man kann nicht übersehen, dass keiner so wie Havemann den Drang hatte, die praktische Widerstandsarbeit mit politischen Flugblättern auch theoretisch zu krönen, Manifeste mit offensiven Erklärungen und hellsichtigen, klugen Argumenten zur Nachkriegspolitik, doch taktisch töricht, eine Einladung an die Verfolger. Keiner der vier war wie Havemann bestrebt, tief im Jahr 1943, auf dem Weg über Agenten von sowjetischer Seite irgendwelche Hilfen zu erlangen. Und keiner

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