Mein Jakobsweg
mich um. Aber wer immer auch gesprochen hat, die Würfel sind gefallen. Ich kaufe ein neues Ticket.
Pedro hat in Logroño sofort Anschluss nach Madrid. Wir bleiben bei ihm, bis der Bus abfährt. Zwei junge Mädchen wohnen in einem nahen Dorf und werden gleich abgeholt. Maria und Renaia sind in Logroño zu Hause. Sicher werden sie schon sehnsüchtig erwartet, haben doch die Ehemänner in ihrer Abwesenheit die Kinder versorgen müssen. Aber noch sind sie peregrinas und begleiten mich zur Herberge. In einer Bar essen wir ein paar Tapas, trinken das letzte Glas Wein. Ewas Melancholie legt sich über diesen Abschied. Ich verspreche, ihnen eine Karte aus Santiago zu schicken.
Logroño hat eine recht schöne Innenstadt, aber die Kathedrale bleibt auch am späten Nachmittag verschlossen. In einer sogenannten Schinkenbar, in der unzählige Schinken von der Decke herabhängen, esse ich ein Baguette mit - ja, natürlich, mit Schinken.
Lange verweile ich an den Ufern des Rio Ebro. Der Ebro ist der größte Fluss Spaniens; in der Nähe von Tarragona, bei Tortosa, hat er sich ein einzigartiges Flussdelta geschaffen, an dessen Mündung er sich ins Mittelmeer ergießt. Seltene Wasservögel und auch Singvögel sind in diesem Naturschutzgebiet beheimatet. Rosafarben leuchten die Flamingos über dem schillernden Blau des Wassers. In großen Gruppen stehen sie beisammen und beugen sich hinab, um mit ihren Schnäbeln das Wasser zu seihen. Hier in Logroño jedoch ist der Ebro noch recht schmal. Störche waten durch das Wasser. Auf den umliegenden Häusern sehe ich viele Nester, in denen der Nachwuchs auf Nahrung wartet.
Als ich zurückkomme, steht ein Esel vor der Herberge. Doch leider sind weder der Esel noch sein Pilger willkommen, nicht einmal im Hof. Ich höre das Wort Hygiene.
Am Ende schickt man den Pilger einfach weg, in die Nacht hinein, ohne ihm einen anderen Schlafplatz anzubieten! Ausgerechnet in dieser Nacht kommt ein fürchterliches Gewitter über die Stadt. Seit Langem habe ich nicht solch einen schweren Donner gehört. Mehrmals glaube ich, irgendwo habe der Blitz eingeschlagen. Binnen kürzester Zeit fließt knöchelhoch das Wasser durch die Gassen.
Ich denke an den Pilger und den Esel. Wo sind sie wohl untergekommen? Oder liegt der Mann jetzt triefend nass auf irgendeiner Wiese in seinem Zelt? Buen Camino euch beiden, denke ich beklommen, auf dass sich das Wetter morgen wieder bessern möge.
Von Logroño nach Ventosa
Das Leben in der Natur gibt
die Wahrheit der Dinge zu erkennen.
Albrecht Dürer
E s ist ein wundervoller Morgen. Die Luft ist frisch und kühl, ein leichter Nebel steigt auf. Laut lärmend fliegen über meinem Kopf die Mauersegler.
Logroño verdankt seine städtische Entwicklung dem Jakobsweg und dem Wein, liegt diese Stadt doch inmitten des Rioja, des größten Weinanbaugebiets von Europa.
Das Pilgerdenkmal habe ich schon fotografiert. Es gefällt mir außerordentlich. Endlich einmal wird eine Frau dargestellt: eine peregrina, die in moderner Kleidung und mit kräftigem Schritt ihrem Ziel entgegengeht. Ich finde es ganz toll, dass hier eine peregrina für wert befunden wurde, dass man sie auf ein Podest hebt. Schließlich sind mehr als 50 Prozent aller Pilger Frauen. Weil ich peregrina unter dem Schutz des heiligen Jakobus durch alle Landschaften pilgern kann, ohne Angst haben zu müssen, gehe ich sogar allein, wie so viele andere Pilgerinnen auch.
Meiner peregrina hier haben sie dann aber doch lieber noch einen Mann zur Seite gestellt. Ganz diskret wird er allerdings immer einen Schritt hinter ihr bleiben.
Wir gehen an einem See entlang, durch ein Freizeitgebiet. Wenn ich »wir« sage, dann meine ich die vielen Pilger, die plötzlich vor mir, hinter mir und neben mir gehen. Ich weiß gar nicht, wo sie alle herkommen. Vielleicht sind es Wochenendpilger oder Bustouristen.
Jedenfalls stört mich dieses ewige Reden. Wie immer, wenn sie in Gruppen gehen und sich unterhalten und jeder etwas Wichtiges zu sagen hat, ist der Geräuschpegel erheblich. Also gehe ich etwas vom Weg ab, gönne mir eine Frühstückspause und lasse die Menschenmassen an mir vorbeiziehen.
Auf einsamen Wegen gehe ich nun durch das Land des Rioja. So weit das Auge reicht, erstrecken sich die Weinstöcke über sanfte Hügel hinweg. Die Erde ist braun und noch feucht von der Nacht. An knorrigen Weinstöcken wächst üppig das Grün; in manchen Lagen wird es schon geschnitten und gebunden. Blumen in zarten Farben
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