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Mein Katalonien

Titel: Mein Katalonien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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Mann dargestellt wurde, der seine mit Hammer und Sichel gezeichnete Maske abnimmt und darunter ein häßliches, wahnsinniges mit einem Hakenkreuz entstelltes Gesicht enthüllt. Offensichtlich hatte man sich auf die offizielle Version der Kämpfe in Barcelona schon geeinigt: sie sollten als der Aufstand einer faschistischen »Fünften Kolonne« dargestellt werden, der nur von der P.O.U.M. bewerkstelligt worden war.
    Nachdem die Kämpfe vorbei waren, hatte sich im Hotel die abscheuliche Atmosphäre des Mißtrauens und der Feindseligkeit noch verschlimmert. Es war unmöglich, angesichts der Anschuldigungen, die man sich gegenseitig vorwarf, neutral zu bleiben. Die Post arbeitete wieder, und die ersten ausländischen kommunistischen Zeitungen kamen an. Ihre Berichte über die Kämpfe nahmen nicht nur ungestüm Partei, sondern waren in der Wiedergabe der Tatsachen selbstverständlich äußerst ungenau. Ich glaube, daß einige Kommunisten, die hier gesehen hatten, was sich tatsächlich ereignete, durch die Auslegung der Ereignisse erschreckt wurden, aber sie mußten natürlich zu ihrer eigenen Sache stehen. Unser kommunistischer Freund näherte sich noch einmal und fragte mich, ob ich nicht zur Internationalen Brigade überwechseln wolle.
    Ich war ziemlich überrascht. »Ihre Zeitungen erklären, ich sei ein Faschist«, sagte ich. »Sicherlich sollte ich politisch verdächtig sein, wenn ich von der P.O.U.M. komme.«
    »Oh, das macht nichts. Schließlich haben Sie ja nur auf Befehl gehandelt.«
    Ich mußte ihm sagen, daß ich mich nach diesem Vorfall nicht mehr einer kommunistisch kontrollierten Einheit anschließen könne. Denn früher oder später könne es bedeuten, daß ich gegen die spanische Arbeiterklasse eingesetzt würde. Es ließe sich nicht sagen, wann eine ähnliche Geschichte wieder ausbrechen würde. Wenn ich aber mein Gewehr in einer derartigen Auseinandersetzung überhaupt benutzen müsse, wollte ich es auf der Seite der Arbeiterklasse und nicht gegen sie tun. Er war sehr anständig in der Angelegenheit. Aber von jetzt an hatte sich die ganze Atmosphäre geändert. Man konnte nicht wie früher »übereinstimmen, daß man anderer Meinung war« und ein Glas Wein mit einem Mann trinken, der angeblich ein politischer Gegner war. In der Hotelhalle gab es einige häßliche Streitereien. Die Gefängnisse waren inzwischen schon voll und quollen über. Nachdem die Kämpfe vorbei waren, hatten die Anarchisten natürlich ihre Gefangenen entlassen. Die Zivilgardisten jedoch hatten ihre Gefangenen nicht entlassen, die meisten wurden ins Gefängnis geworfen und dort ohne Verhandlung festgehalten, in manchen Fällen sogar monatelang. Wie gewöhnlich wurden auf Grund der Ungeschicklichkeit der Polizei völlig unschuldige Menschen verhaftet. Ich habe vorher erwähnt, daß Douglas Thompson etwa Anfang April verwundet wurde. Später hatten wir die Verbindung mit ihm verloren, wie es normalerweise geht, wenn ein Mann verwundet wird, denn die Verwundeten werden häufig von einem Krankenhaus zum anderen gebracht. Tatsächlich war er, gerade als die Kämpfe begannen, in einem Hospital in Tarragona und wurde nach Barcelona zurückgeschickt. Als ich ihn am Dienstag morgen auf der Straße traf, war er von der Schießerei, die ringsum im Gange war, beträchtlich verwirrt. Er fragte mich, was jeder wissen wollte: »Zum Teufel, worum geht es hier eigentlich?«
    Ich erklärte es ihm, so gut ich konnte. Thompson erwiderte prompt: »Ich werde mich da ‘raushalten. Mein Arm ist immer noch nicht in Ordnung. Ich werde zu meinem Hotel zurückgehen und dort bleiben.«
    Er ging in sein Hotel zurück, aber unglücklicherweise lag es in einem Stadtteil, der von den Zivilgardisten kontrolliert wurde (wie wichtig ist es bei Straßenkämpfen, die örtlichen Verhältnisse zu kennen!). Man machte dort eine Razzia, Thompson wurde verhaftet, ins Gefängnis geworfen und acht Tage lang in einer Zelle festgehalten, die so mit Menschen vollgestopft war, daß niemand Platz hatte, sich hinzulegen. Es gab viele ähnliche Fälle. Zahlreiche Ausländer, die eine undurchsichtige politische Vergangenheit hatten, waren auf der Flucht. Die Polizei war hinter ihnen her, und sie lebten in ständiger Furcht vor einer Denunziation. Am schlimmsten war es für die Italiener und Deutschen, die keine Pässe hatten und die meistens von der Geheimpolizei ihrer eigenen Länder gesucht wurden. Falls sie verhaftet wurden, konnte es ihnen passieren, daß man sie nach Frankreich

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