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Mein Koerper und ich - Freund oder Feind

Mein Koerper und ich - Freund oder Feind

Titel: Mein Koerper und ich - Freund oder Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanne Seemann
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Aktivität und Geschehenlassen handelt.
    Hinzu kommen noch die ganz individuellen Biorhythmen. Die Verteilung der Energie über den Tag – Frühaufsteher oder nachtaktiv? Menstruationszyklus – wiederkehrende schwierige Tage? Verdauungszyklus – wann ist der Körper geistig wach, wann braucht er Ruhe und Entspannung für die Verdauung? Viele Leute wissen, dass sie zum Beispiel auf Reisen Verstopfungsprobleme bekommen, wenn sie ihren täglichen Rhythmus unterbrechen müssen.
    Letzthin traf ich eine Apothekerin, der es wie Schuppen von den Augen fiel, als ich dieses Thema ansprach – was man ja gemeinhin nicht tut. Sie sagte: Seit Jahren nehme ich Abführmittel, wenn ich frühmorgens zur Arbeit muss! Aber ab morgen tausche ich die Frühschicht dauerhaft mit meiner Kollegin und gehe erst nachmittags in die Klinikapotheke – ich brauche morgens einfach mehr Zeit für mich, und meine Kollegin ist wegen ihrer Kinder sowieso lieber nachmittags zu Hause. Das trifft sich gut.
    Zum Thema Rhythmus gehört auch zu wissen, wann der Körper bereit ist, Nahrung aufzunehmen. Das viel gepriesene dicke Frühstück ist nicht für jedermann gut, manche können erst am späten Vormittag feste Nahrung vertragen. Kinder, die morgens oft physisch und psychisch labil sind, gehen zu Recht »ohneFrühstück in die Schule« – was Lehrer oft beklagen. Sie brauchen aber etwas Gutes für die Pause.
    Überhaupt ist der tägliche gute Start essenziell für eine ausgewogene Energieökonomie des Tages. Aus den Wirren des Traumschlafes, der gegen Morgen hin gehäuft auftritt, gilt es, sich selbst zu ordnen, sich nach außen in die Welt hineinzuorientieren, das eigene Tempo zu finden, das jeden Tag ein bisschen anders sein kann. Deshalb sind die immer gleichen Morgenrituale so wichtig: Meditieren, Qigong, Tai-Chi, spazieren gehen, Gymnastik, joggen, Brötchen holen, Kaffee trinken und Zeitung lesen, oder, was sonst dazugehört. Im Qigong, das sind Übungen zur Pflege der Lebenskraft, die im Stehen ausgeführt werden, gilt der Satz: Bevor du gehst, sollst du stehen. Da merkt man, ob man an diesem Tagesbeginn standfest ist und wie man dasteht. Kluge Leute achten darauf, morgens erst einmal Tritt zu fassen, bevor sie hinausgehen und sich an die Arbeit machen. Es gibt aber Menschen, die quasi immer draußen in der Welt sind und nie richtig zu sich kommen – davon handelt die erste Rhythmusstörung, die wir uns näher anschauen.
1.Gefühlsblindheit – die Angewohnheit, ausschließlich nach draußen zu schauen
    Vielleicht haben Sie schon einmal den Begriff »Alexithymie« gehört? Dieses seltsame Wort ist eigentlich eine psychopathologische Diagnose. Sie wird manchmal mit »Gefühlsblindheit« übersetzt – oder wie ein Spiegel-Titel es ausdrückte: »blind für Wut und Freude«. Manche Menschen haben nämlich kaum oder überhaupt keinen Zugang zu ihren eigenen Gefühlen – man könnte auch sagen, zu ihren Innenräumen. Wenn man sie fragt, wie es ihnen geht, schauen sie sich in der Welt um und sagen: gut oder schlecht – immer mit Bezug auf ihr Leben in der Außenwelt. Sie würden vielleicht einen Bezug herstellen zu ihrem Beruf, ihrer Familie, ihrem Einkommen, den Aussagen ihres Arztes über ihre Gesundheit. Würden wir so jemanden fragen, was er letzte Nacht geträumt habe, was er sich wünschen würde, wenn er sich etwas wünschen dürfte, was er ersehne oder was ihm gerade durch den Kopf gehe, brächten wir ihn in Verlegenheit – falls er das so versteht, dass er einmal in sich hineinhören sollte, um eine Antwort zu finden.
    Es gibt leichte und schwere Formen der Gefühlsblindheit. Einer meiner schon etwas älteren Patienten, ein Mann wohlgemerkt, sprach immer wieder sehr emotional über seine schwindende Leistungsfähigkeit, obwohl er im Betrieb dringend gebraucht werde, über die gesundheitlichen Probleme seiner Enkelkinder – alles sehr einfühlsam. Aber er sagte auch: »Wenn Sie wissen wollen, wie es mir psychisch geht, dann müssen Sie meine Frau fragen – die sieht es mir an.« Ich darauf: »Fragen Sie sie denn hin und wieder, wie es Ihnen geht?« – »Nein«, sagt er, »sie sagt mir das schon von sich aus: Heut geht’s dir doch nicht so gut, lass uns mal lieber nicht zu diesem Geburtstagsfest gehen. Das ist heute nichts für dich.« Dieser Mann hat alles, was er braucht.
    Die Mutter einer jungen Patientin litt nicht nur an Alexithymie, sondern auch noch an einem gravierenden Mangel an Empathie – was ganz falsch ausgedrückt ist:

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