Mein Leben
Verhalten ein über Jahre, Jahrzehnte immer wiederkehrendes Muster. Falsche Entscheidungen waren eine Spezialität von mir, und wenn mir mal was Ehrliches und Anständiges begegnete, scheute ich davor zurück oder lief davon. Dieses Verhalten spiegelte wider, wie ich mich selbst sah. Offenbar glaubte ich nicht, etwas Anständiges verdient zu haben, und daher konnte ich mir nur solche Partnerinnen wählen, von denen ich überzeugt war, dass sie mich genauso verlassen würden wie meine Mutter vor all den Jahren.
Vor Conor bin ich nicht davongelaufen, auch wenn meine Beziehung zu ihm anfangs nicht frei von Ängsten war. Ich war schließlich nur sein Teilzeitvater. Kleine Kinder können sehr abweisend und unabsichtlich grausam sein, und ich neigte dazu, das sehr persönlich zu nehmen. Aber je länger meine Nüchternheit anhielt, desto wohler fühlte ich mich bei ihm und freute mich jedes Mal, wenn ich ihn sehen konnte. So war es auch im März 1991, als ich Conor in New York besuchte, wo Lori und ihr neuer Freund Sylvio sich eine Wohnung kaufen wollten.
Am Abend des 19. März ging ich zur Galleria, dem Wohnblock an der East 57th Street, um Conor abzuholen und mit ihm zum Zirkus nach Long Island zu fahren. Es war das erste Mal, dass ich allein mit ihm ausging, und ich war entsprechend nervös und aufgeregt. Der Abend war großartig. Conor redete die ganze Zeit und war besonders von den Elefanten ganz begeistert. Zum ersten Mal erkannte ich, was es bedeutete, ein Kind zu haben und Vater zu sein. Ich weiß noch, wie ich Lori dann erzählte, dass ich mich von jetzt an, wenn Conor bei mir zu Hause zu Besuch war, ganz allein um ihn kümmern wolle.
Am nächsten Morgen stand ich früh auf und machte mich bereit, um von meinem Hotel, dem Mayfair Regent an der Kreuzung Park und 64th Street, durch die Stadt zu gehen und Lori und Conor zu einem Besuch im Central Park Zoo abzuholen. Anschließend wollten wir bei Bice, meinem Lieblingsitaliener, zu Mittag essen. Gegen elf klingelte das Telefon. Es war Lori. Sie schrie wie von Sinnen, Conor sei tot. Ich dachte: »Das ist doch absurd. Wie kann er denn tot sein?«, und stellte ihr die dümmste aller Fragen: »Bist du sicher?« Und dann erzählte sie mir, dass er aus dem Fenster gefallen war. Sie war völlig außer sich und schrie und schluchzte. Ich sagte: »Ich bin sofort da.«
Während ich die Park Avenue hinunterging, versuchte ich mir einzureden, das sei in Wirklichkeit gar nicht passiert ... als ob irgendwer sich in so einer Sache irren könnte. Als ich mich dem Wohnblock näherte und auf der Straße davor Polizisten und Rettungssanitäter erblickte, ging ich einfach vorbei: Mir fehlte der Mut, sofort hineinzugehen. Schließlich ging ich dann doch hinein. Nachdem ich ein paar Fragen der Polizei beantwortet hatte, fuhr ich mit dem Aufzug zu der Wohnung im dreiundfünfzigsten Stock. Aus Lori war kein vernünftiges Wort herauszubekommen. Ich war inzwischen ganz ruhig geworden, hatte mich in mich selbst zurückgezogen und war jetzt einer von denen, die sich nur um andere kümmern.
Ich ließ mir von Polizisten und Ärzten erklären, was passiert war, ohne das Zimmer selbst betreten zu müssen. Das große Wohnzimmer hatte auf der einen Seite Fenster, die vom Boden bis zur Decke reichten und sich zum Putzen nach innen öffnen ließen. Brüstungen gab es jedoch nicht, da sich in dem Gebäude nur Eigentumswohnungen befanden, die nicht unter die normalen Bauvorschriften fielen. An diesem Morgen hatte der Hausmeister die Fenster geputzt und für kurze Zeit offen gelassen. Conor spielte mit seinem Kindermädchen Verstecken und rannte in der Wohnung herum, und während Lori von dem Hausmeister abgelenkt wurde, der sie auf die Gefahr hinwies, lief Conor auch schon in das Zimmer und geradewegs aus dem Fenster. Er stürzte neunundvierzig Stockwerke tief und landete auf dem Dach eines vierstöckigen Nebengebäudes.
Es war ausgeschlossen, dass Lori ins Leichenschauhaus ging, und so ging ich allein dorthin, um meinen Sohn zu identifizieren. Welche Verletzungen auch immer er sich bei dem Sturz zugezogen haben mochte – als ich ihn sah, hatte man seinen Körper einigermaßen wieder hergerichtet. Ich betrachtete sein schönes schlafendes Gesicht und dachte: »Das ist nicht mein Sohn. Er sieht ihm ein bisschen ähnlich, aber mein Sohn ist weg.« Ich besuchte ihn dann noch einmal im Bestattungsinstitut, um Abschied zu nehmen und ihn um Verzeihung zu bitten, dass ich kein besserer Vater gewesen war.
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