Mein Leben
langen Haaren, ihrer bemerkenswerten Figur und ihrem jungen, leicht asiatisch anmutenden Gesicht (hohe Wangenknochen und Mandelaugen). Wir kamen uns näher, und schon nach sehr kurzer Zeit war ich besessen von ihr.
Als ich die Platte aufnahm, lebte ich in New York, und die Stadt gab einen guten Hintergrund für unsere Affäre ab, die sehr rasant und romantisch war. Carla führte mich in ein großartiges Restaurant, das »Bilboquet«, mit dessen Inhaber, Philippe Delgrange, ich mich anfreundete. Sein Lokal war ein beliebter Treffpunkt reicher und vornehmer Europäer in New York, und in meiner Naivität glaubte ich da gut hineinzupassen. Irgendwann um diese Zeit kamen die Stones auf ihrer Steel Wheels Tour in die Stadt. Carla erwähnte, sie sei ein Fan von ihnen, und fragte, ob ich mit ihr da hingehen wolle. Wir sahen uns die Show an, und anschließend ging ich mit ihr hinter die Bühne, um ihr die Jungs vorzustellen. Ich sagte zu Jagger: »Bitte, Mick, die nicht. Ich glaub, ich bin verliebt.« Er hatte früher mehrmals vergeblich versucht, sich an Pattie heranzumachen, und mir war klar, dass Carla ihm gefallen musste. Trotz meiner inständigen Bitten dauerte es nur wenige Tage, bis sie eine heimliche Affäre anfingen. In der Zwischenzeit flog ich für eine kurze Tour nach Afrika, die in Swasiland begann und über Botswana und Simbabwe nach Mosambik führte.
Auf dem Rückweg besuchte ich Carlas Familie in St. Tropez. Carla empfing mich ziemlich frostig und ließ es sich nicht nehmen, mir einige ihrer früheren Freunde vorzustellen. Sie schienen ganz nett zu sein, bekundeten mir ihr Mitgefühl und deuteten an, dass Carla einen beachtlichen Verschleiß an Männern habe. Kurz darauf, nachdem Carla mich ein paarmal versetzt hatte, rief mich die Frau an, die uns miteinander bekannt gemacht hatte, und teilte mir mit, Carla habe tatsächlich ernsthaft was mit Jagger. Entsprechende Gerüchte hatte ich auch schon mitbekommen, und jetzt war es also offensichtlich wahr. Die Sache peinigte mich noch das ganze Jahr und wurde echt unangenehm, als ich bei einigen Gigs mit den Stones zusammen auftrat und wusste, dass Carla irgendwo im Hintergrund lauerte.
Was ich von Carla gelernt habe? Damals nicht viel, aber im Lauf der Zeit lernte ich zwischen Lust und Liebe zu unterscheiden, und ein bisschen später auch zwischen Spaß und Glück. Zu ihrer Ehrenrettung sei gesagt, dass sie, als die Sache klar war, mich nicht weiter an der Nase herumgeführt und kein einziges Mal von Liebe gesprochen hat, während ich mir in meiner Verblendung einreden konnte, dass sie die Liebe meines Lebens sei. Dass Jagger sie mir hinter meinem Rücken weggeschnappt hatte, trieb einen starken Keil zwischen uns, und eine Zeit lang hatte ich einen ziemlichen Groll auf ihn. Später war ich ihm dankbar und hatte zugleich Mitleid mit ihm, Ersteres, weil er mich vor dem sicheren Verhängnis bewahrt hatte, und Letzteres, weil er in ihren Diensten offenbar viel Schlimmes auszustehen gehabt hatte.
Angetrieben von meiner Fixierung auf Carla und Mick, begann ich mich ernstlich auf meine Genesung zu konzentrieren. Mein Sponsor bei den AA empfahl mir als Erstes den »vierten Schritt«, eine innere Inventur bezüglich meiner Verärgerung über die beiden. Beim vierten Schritt beschäftigt sich der Alkoholiker offen und ehrlich mit seiner Vergangenheit, um herauszufinden, womit er selbst zu seinen Trinkproblemen beigetragen hat. Das lässt sich auch auf bestimmte Situationen im nüchternen Zustand anwenden, wo die Zusammenhänge zwischen Schuld und Verantwortung durcheinandergeraten sind. Es ist symptomatisch, dass Alkoholiker glauben, von anderen manipuliert zu werden, sie sehen sich als Opfer, die keine Kontrolle über ihr Leben haben. Was ihre Fähigkeit angeht, mit dem Trinken aufzuhören, trifft Letzteres zweifellos zu, in jeder anderen Hinsicht jedoch lässt sich etwas daran ändern, wenn man anfängt, selbst Verantwortung zu übernehmen.
Hierbei hilft einem das »Zwölf-Schritte-Programm«. Mich brachte es zu der überraschenden Erkenntnis, dass ich mich auf die Affäre mit Carla gar nicht hätte einlassen müssen. Ich hatte gedacht, ich müsse das tun, ich sei dazu gezwungen. Bei meiner Arbeit am vierten Schritt fand ich nun heraus, dass ich das aus freien Stücken getan hatte. Ich hatte es gewollt. Ich hatte die Realität verdrängt, und da ich erst seit zwei Jahren nüchtern war, wusste ich noch lange nicht, was gut für mich war.
Ich entdeckte in meinem
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