Mein Leben
Einige Tage später flogen Lori und ich in Begleitung mehrerer Freunde und Angehöriger mit dem Sarg nach England zurück. Wir fuhren nach Hurtwood, wo die Italiener alle weinten und offen ihre Trauer bekundeten, während ich wie betäubt zu keiner Reaktion fähig war.
An einem trüben, kalten Tag im März, kurz vor meinem sechsundvierzigsten Geburtstag, wurde in der St. Mary’s Church in Ripley die Totenmesse für Conor abgehalten. Sämtliche Einwohner von Ripley waren gekommen, es war eine wunderbare Feier, aber ich brachte kein Wort über die Lippen. Ich starrte seinen Sarg an und konnte einfach nichts sagen. Wir begruben ihn an der Kirchenmauer, und als der Sarg in die Erde gesenkt wurde, geriet seine italienische Großmutter völlig aus der Fassung und versuchte sich selbst in das Grab zu stürzen. Das erschreckte mich, da ich mit so offen geäußerten Emotionen nicht gut umgehen kann. Ich trauere einfach anders. Als wir den Kirchhof verließen, erblickten wir eine Wand von etwa fünfzig Reportern und Fotografen. Eigenartig, aber während viele andere sehr erbost und gekränkt darauf reagierten, weil sie es für respektlos hielten, wurde meine Trauer davon überhaupt nicht berührt. Mir war es einfach egal. Ich wollte nur, dass es endlich vorbei war.
Nach der Beerdigung, als Loris Familie wieder abgereist war und ich im stillen Hurtwood wieder mit meinen Gedanken allein sein konnte, fand ich einen Brief von Conor, den er mir aus Mailand geschickt hatte und in dem er mir schrieb, er vermisse mich sehr und freue sich darauf, mich in New York zu besuchen. Er hatte geschrieben: »Ich liebe dich.« Es zerriss mir das Herz, aber dennoch sah ich darin etwas Positives. Ich bekam Tausende von Beileidsbriefen aus der ganzen Welt, von Freunden, von Fremden, von Leuten wie den Kennedys und Prince Charles. Ich war erstaunt. Einer der ersten, die ich aufmachte, kam von Keith Richards. Er schrieb nur ganz kurz: »Wenn ich was für dich tun kann, sag einfach Bescheid.« Dafür werde ich immer dankbar sein.
Ich kann nicht bestreiten, dass ich für den Moment meinen Glauben verlor. Was mir das Leben rettete, waren die bedingungslose Liebe und das Verständnis, die meine Freunde und Gefährten bei den AA mir entgegenbrachten. Ich ging zu einem Meeting, und die Leute umringten mich schweigend, leisteten mir Gesellschaft, gaben mir Kaffee und ließen mich erzählen, was geschehen war. Man bat mich, einige Meetings zu leiten, und als wir einmal den dritten Schritt als Thema hatten, bei dem es darum geht, seinen Willen in die Hände Gottes zu legen, erzählte ich die Geschichte, wie ich bei meinem letzten Aufenthalt in Hazelden auf die Knie gesunken war und um Hilfe gebeten hatte, nüchtern zu bleiben. Ich berichtete, dass der Zwang in diesem Augenblick von mir genommen wurde, und was mich betraf, war dies ein handfester Beweis, dass meine Gebete erhört worden waren. »Aufgrund dieser Erfahrung«, sagte ich, »weiß ich, dass ich das durchstehen kann.«
Nach dem Meeting kam eine Frau auf mich zu und sagte: »Du hast mir eben die letzte Ausrede zum Trinken genommen.« Ich fragte, wie sie das meine, und sie sagte: »Ich hatte immer diese Ausrede im Hinterkopf, wenn meinen Kindern etwas zustoßen würde, hätte ich ein Recht darauf, mich zu betrinken. Du hast mir gezeigt, dass das nicht stimmt.« Plötzlich war ich mir bewusst, dass ich vielleicht eine Möglichkeit gefunden hatte, aus dieser furchtbaren Tragödie etwas Positives zu machen. Ich konnte tatsächlich sagen: »Wenn ich das aushalte und dabei nüchtern bleiben kann, dann kann jeder andere das auch.« In diesem Augenblick wurde mir klar, dass es keinen besseren Weg gab, das Andenken meines Sohnes zu ehren.
Die ersten Monate nach Conors Tod waren ein Albtraum, aber der Schockzustand bewahrte mich vor dem vollständigen Zusammenbruch. Außerdem hatte ich zu arbeiten. Russ Titleman saß im Studio mit einem Stapel Tapes von den vierundzwanzig Shows, die ich im Februar und März in der Albert Hall absolviert hatte. Ich konnte und wollte mich mit dieser Musik jetzt nicht beschäftigen, aber als er mir dann eine Version von »Wonderful Tonight« vorspielte, hatte dieser Song aus welchen Gründen auch immer eine sehr beruhigende Wirkung auf mich, und in der Nacht danach konnte ich endlich einmal wieder schlafen. Bis dahin hatte ich wochenlang nicht mehr richtig geschlafen, und es war wie eine Erlösung für mich. Vermutlich kam es daher, dass der Song mich in eine halbwegs
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