Mein Leben
gesunde und unkomplizierte Phase meiner Vergangenheit zurückgeführt hatte, als ich mir schlimmstenfalls Sorgen darüber zu machen brauchte, ob meine Partnerin rechtzeitig zum Essen zurechtgemacht war.
Zurück in der Gegenwart, kaufte ich mir ein Haus in London und baute mir eins auf Antigua. Nach allem, was geschehen war, konnte ich es nicht ertragen, allein in Hurtwood herumzusitzen, und so bat ich eine meiner ältesten Freundinnen, Vivien Gibson, täglich nach meiner Post zu sehen. Viv und ich waren seit vielen Jahren miteinander befreundet, wir kannten uns seit unserer Affäre in den Achtzigern, und sie arbeitete jetzt Vollzeit als meine Sekretärin. Sie war eine der ganz wenigen, die ich in dieser Zeit um mich haben wollte. Irgendwie verstand sie meine Trauer und hatte keine Scheu davor. Es ist erstaunlich, wie viele so genannte Freunde im Angesicht einer solchen Tragödie plötzlich das Weite suchen. Sie ist eine sehr tapfere und teilnehmende Frau. Und ich hatte das dringende Bedürfnis nach einem Tapetenwechsel. Und so fuhr ich mit Roger im Schlepptau in London herum und sah mir Häuser an, bis ich in Chelsea ein schönes gefunden hatte. Abseits in einer Seitenstraße gelegen, war es genau das Richtige. Es hatte einen Hof zum Parken und einen kleinen ummauerten Garten.
Zur gleichen Zeit plante ich mit Unterstützung von Leo Hageman, einem Bauunternehmer auf Antigua, und Colin Peterson, seinem Freund und Architekten, den Bau einer Villa auf dem Gelände eines kleinen Hotels am Galleon Beach in English Harbour an der Südküste Antiguas. Was machte ich da bloß? Ich rannte in mehrere Richtungen gleichzeitig los. Tatsächlich hätte ich mir, wäre Roger nicht dazwischengegangen, beinahe noch ein weiteres Haus gekauft, immer in der Absicht, mich ganz von Hurtwood zu trennen.
Vordergründig war London als Standort ganz vernünftig, denn alle waren der Meinung, ich sollte eine Zeit lang unter Menschen sein, und Hurtwood, mit den vielen Erinnerungen, die daran hingen, sei vorläufig nichts für mich. Auf Antigua hatte ich seit Jahren immer wieder Urlaub gemacht und war auch mit Lori und Conor mehrmals dort gewesen. In English Harbour lebten jede Menge ausgeflippte Leute, und ich fühlte mich dort genau richtig. Mein Hauptmotiv für das alles war jedoch Bewegung – immer in Bewegung bleiben, unter keinen Umständen zur Ruhe kommen und die Gefühle über mich hereinbrechen lassen. Das wäre unerträglich gewesen.
Ich war jetzt seit drei Jahren nüchtern und so weit bei Kräften, dass ich mich gerade so durchs Leben schlagen konnte, besaß aber keinerlei Erfahrung, die mich befähigt hätte, mit einem Schicksalsschlag dieser Größenordnung umzugehen. Viele Leute mögen gedacht haben, das Alleinsein könne mir gefährlich werden und irgendwann würde ich wieder zu trinken anfangen, aber ich hatte ja Freunde, und ich hatte meine Gitarre. Sie war wie schon so oft meine Rettung. Die nächsten zwei oder drei Monate blieb ich, abwechselnd in England und Antigua, allein, ging zu den Meetings und spielte Gitarre. Anfangs spielte ich einfach nur so vor mich hin, aber dann wurden allmählich Songs daraus. Als Erstes entwickelte sich »The Circus Left Town« über meinen Abend mit Conor im Zirkus, unseren letzten gemeinsamen Abend. Auf Antigua schrieb ich dann einen Song, in dem ich den Verlust meines Sohnes zu den Rätseln um das Leben meines Vaters in Beziehung setzte, »My Father’s Eyes«. Hier beschrieb ich, wie ich in den Augen meines Sohnes die Augen meines Vaters zu erkennen versuchte, den ich nie kennengelernt hatte.
1998 unternahm der kanadische Journalist Michael Woloschuk den Versuch, meinen wirklichen Vater zu ermitteln, wobei sich herausstellte, dass der von ihm ausfindig gemachte Mann, Edward Fryer, schon 1985 gestorben war. Das trieb mich an, nun meinerseits Recherchen anzustellen oder wenigstens Woloschuks Ergebnisse zu verifizieren. Ich kam nicht sehr weit. Die Spur war undeutlich, und ich konnte nie glauben, dass dieser Mann wirklich mein Vater war. Am Ende hatte ich nur dieselben Puzzleteile wie jener Reporter in der Hand. Mein ganzes Leben lang hatten Leute mich nach meinem Vater gefragt, bis ich nur noch »Ich will nichts davon wissen« antwortete, um nicht ständig damit konfrontiert zu werden. Deswegen hatte ich den Wunsch, die Wahrheit zu erfahren, immer unterdrückt. Und als ich sie dann doch erfahren wollte, war es offenbar zu spät.
Der stärkste der neuen Songs war »Tears in Heaven«. Ich
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