Mein Leben
Mädels.
Die letzte Woche war ein Albtraum. Ich bekam höchstens drei Stunden Schlaf pro Nacht, und in Kansas City musste ich während eines dreitägigen Aufenthalts viermal das Hotel wechseln. Der Lärm war unerträglich. Entweder war draußen eine Baustelle, oder die Aufzüge im Haus klapperten, oder die Nachbarn schmissen in ihren Zimmern mit Gegenständen. Ich war fix und fertig. Das Einzige, was das alles irgendwie erträglich machte, war die Musik, die wir am Abend spielten und die wie immer ausgezeichnet war. Trotzdem sehnte ich nur noch das Ende der Tour herbei und zählte die Minuten bis zur Abreise. Dabei war jeder Gig ein Ereignis. Erschüttern konnte uns und vor allem mich nur schlechte Akustik, und solche Hallen hatten wir offenbar hinter uns. Das Abschlusskonzert in Columbus war phantastisch. Und das musste auch so sein, schließlich war meine gesamte amerikanische Familie da.
Der Abschied war kurz, aber wir wussten ja, dass wir alle bis auf Steve Jordan im Juli wieder zum Crossroads Guitar Festival in Chicago zusammenkommen würden. Und Jordan sollte ich in zwei Wochen in New York bei einer Veranstaltung zum Gedenken an Ahmet Ertegun wiedersehen, für die er als musikalischer Leiter engagiert worden war. In Columbus schneite es immer noch, was mir Gelegenheit gab, die Songs zu üben, die ich für Ahmet spielen wollte. »Please Send Me Someone to Love« von Percy Mayfield hatte er immer besonders gern gehört, und wenn wir uns in den schlechten alten Zeiten die Hucke vollsoffen, sang er mir augenzwinkernd die ersten Zeilen vor: »Heaven, please send, to all mankind, understanding and peace of mind. But if it’s not asking too much, please send me someone to love.« Ich glaube, für ihn war das die Essenz der schlichten Ironie, die der Blues so oft verkörpert. Er hat mich nie gedrängt, den Song aufzunehmen. Er liebte es einfach, ihn mir mit seiner brüchigen alten Stimme vorzusingen, und das ist meine schönste Erinnerung an ihn. Der andere Song, den ich für ihn spielte, »Drinkin’ Wine Spo-Dee-O-Dee«, war, soweit ich weiß, die erste Platte, die offiziell bei Atlantic herausgekommen war.
Die Zeit verging langsam in Ohio, und wenn ich nicht Ahmets Songs übte, sah ich mir Cricket im Fernsehen an. Erstaunlicherweise war es meinem Schwager Steve gelungen, das Cricket-World-Cup-Turnier über Kabel ins Haus zu holen, und das war für die nächsten vierzehn Tage meine Droge. Es half auch gegen meine Sehnsucht nach England und nach meinem Zuhause und gab mir etwas, womit ich mich identifizieren konnte, bis wir endlich die Heimreise antraten. Ich mag unser Haus in Columbus sehr, und meine Familie ist eine prächtige Bande, aber ich sehnte mich nach England, und bei der Vorstellung, dass ich immer noch einen Auftritt vor mir hatte, saß ich wie auf glühenden Kohlen. Andererseits konnte ich kaum glauben, dass die Tournee jetzt vorbei war, und auch das zog mich runter. So ist das immer, aber meine langjährige Erfahrung hilft mir, mich darauf vorzubereiten, und ich kann damit umgehen, auch wenn meine Familie und meine Freunde das bestimmt sehr verwirrend finden. Ich hatte mich seit Ewigkeiten auf das Ende der Tour gefreut, und jetzt, wo es erreicht war, war ich deprimiert. Das wirkt absolut unlogisch und kann leicht falsch ausgelegt werden, ist aber nach meiner Erfahrung nahezu unausweichlich. Es gehört einfach dazu und geht auch jedes Mal vorbei, verlangt aber von den Menschen in meiner Umgebung viel Geduld und Verständnis.
Der Abend für Ahmet fand im Jazz im New Yorker Lincoln Center statt. Ich hatte dort 2003 mit Wynton Marsalis gespielt, der bei der Gründung des Lokals mitgewirkt hatte, und fand es optimal für diesen Anlass. Da New York für uns ein Zwischenstopp auf der Heimreise war, wollte ich dort nur für die Proben und den Auftritt hin, während meine Familie sich die Stadt ansehen konnte, und gleich am nächsten Tag sollte es weitergehen. Da es keine Direktflüge von Columbus nach London gibt, haben wir uns schon lange angewöhnt, die Reise mit einem kurzen Aufenthalt in Manhattan zu unterbrechen. Ich kann Freunde besuchen und shoppen, während die Kinder im Central Park spielen. Diesmal hatten wir leider scheußliches Wetter, endlose Wolkenbrüche verhinderten wie zuvor der Schnee in Ohio, dass wir unser Zimmer verlassen konnten. Nach all den Hotelzimmern und dem schlechten Wetter der letzten Zeit sehnte ich mich nur noch nach frischer Luft und dem Leben im Freien, aber noch mussten
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