Mein Leben
gezeigt, wo es langgeht. Die Kombination von Wildheit und Raffinesse, die sein Spiel auszeichnet, ist absolut einzigartig und hat manchen Rockmusiker dazu inspiriert, sich unbefangen dem Blues zu nähern. Mit anderen Worten, er spielt frei, er spielt mit dem Herzen und lässt keine Grenzen gelten.
Stevie Ray Vaughan habe ich leider nie sehr gut kennengelernt. Wir haben nur ein paarmal zusammen gespielt, und dabei habe ich den Eindruck gewonnen, dass er mit der gleichen Hingabe Gitarre gespielt hat wie Jimi Hendrix. Beide spielten mit Leib und Seele, als gebe es kein Morgen. Als ich Stevies letztes Konzert hier auf Erden hörte, hatte ich das Gefühl, etwas Besseres als das sei überhaupt nicht mehr möglich. Er hat alles gegeben. Sein Bruder Jimmie ist einer meiner besten Freunde und spielt meiner Meinung nach in derselben Liga wie Buddy, stilistisch absolut einzigartig und vollkommen frei. Unsere Freundschaft und Zusammenarbeit geht bis in die Sechziger zurück, und abgesehen von allem Musikalischen schulde ich ihm Dank dafür, dass er mich mit der Hot-Rod-Kultur bekannt gemacht hat. Ich besitze drei Autos, alle von Roy Brizio nach meinen Wünschen umgebaut, und zwei weitere sollen noch folgen. Robert Cray ist ein weiterer Freund, den ich voll und ganz bewundere. Sein Gesang hat mich immer an Bobby Bland erinnert, aber sein Gitarrenstil gehört ihm allein, auch wenn er seinem Spiel so ziemlich alle Bluesgitarristen der Musikgeschichte einverleibt hat. Es gibt so viele, die ich bewundert und nachgeahmt habe, von John Lee Hooker bis Hubert Sumlin, aber der wahre King ist B. B. Er ist ohne jeden Zweifel der bedeutendste Künstler, den der Blues je hervorgebracht hat, und der bescheidenste und unverfälschteste Mensch, den man sich nur denken kann. Was Größe und Format angeht, kann B. B. King, falls man denn an so etwas glaubt, nur die Reinkarnation von Robert Johnson sein. Vielleicht sollte man einmal die entsprechenden Daten vergleichen, um festzustellen, ob dafür wenigstens eine entfernte Möglichkeit besteht.
Wenn ich von meinen Helden und Vorbildern spreche, darf Little Walter nicht unerwähnt bleiben. Er hat mit Muddy Waters Mundharmonika gespielt, bevor er als Solist weitermachte, und war ein Meister seines Instruments. Und er war einer der ausdrucksstärksten Sänger, die ich je gehört habe.
Leider hatte ich auch nie das Glück, mit Ray Charles zu spielen. Er war für mich der größte Sänger aller Zeiten, und auch er war ein Bluessänger. Der Blues ist aus der Vereinigung afrikanischer und europäischer Volkskulturen hervorgegangen, gezeugt in der Sklaverei und groß geworden im Mississippidelta. Er hat seine eigene Tonleiter, eigene Regeln und Traditionen und eine eigene Sprache. Für mich triumphiert der Blues über sein widriges Schicksal, er ist voller Humor, Zweideutigkeiten und Ironie und wirkt nur ganz selten, falls überhaupt, deprimierend auf den Hörer. Wenn es eine Musik gibt, die einen Menschen moralisch aufrichten kann, dann ist es der Blues. Ray Charles hat das Wesen des Blues in jedes seiner Stücke injiziert, ganz gleich ob er Gospel, Jazz, Rhythm’n’Blues oder Country & Western sang. Egal wann, egal was, er sang immer den Blues. Ich hatte das Privileg, in den Achtzigern an einem seiner Alben mitwirken zu dürfen, aber er war bei den Aufnahmen nicht selbst anwesend. Ich hätte gern mit ihm in einem Raum gesessen und ihn begleitet, nur um auch diese Erfahrung gemacht zu haben.
Zum Schluss muss ich noch von Muddy Waters sprechen, denn seine Bedeutung für mich ist noch sehr viel fundamentaler. Er war der erste der ganz großen Bluesmusiker, mit denen ich gespielt habe, und der erste, von dem ich freundliche und ermutigende Worte gehört habe. Lange bevor wir uns kennengelernt haben, war er für mich der kraftvollste aller modernen Bluesmusiker, und die pure Energie seines Spiels machte einen ungeheuren Eindruck auf mich, als ich unerfahrener Gitarrenlehrling seine Platten hörte. Bis zum Tag seines Todes war er immer ein wichtiger Teil meines Lebens, wir gingen gemeinsam auf Tour, und er stand mir mit Rat und Tat zur Seite wie der Vater, den ich nie wirklich gehabt habe. Ich war, zusammen mit Roger, auch dabei, als er Marva, seine letzte Frau, heiratete.
Bei unseren letzten Begegnungen nannte Muddy mich seinen Adoptivsohn und trug mir auf, das Vermächtnis des Blues in Ehren zu halten, und ich versicherte ihm, ich werde mein Bestes tun, dieser Verpflichtung nachzukommen. So viel
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