Mein Leben als Androidin
schweigend neben mir saß, immer noch unter dem Einfluß des Serums. Tränen stiegen ihnen in die Augen, und viele konnten es nicht ertragen, ihn anzuschauen; sie richteten den Blick auf den Teppich. »Irren ist menschlich«, sagte er in der Hoffnung, damit alles in Ordnung zu bringen. Niemand sprach ein Wort. Nur ich dachte bei mir: »Und Vergeben eine Eigenschaft der P9.«
Doch sein nächstes Geständnis überstieg sogar meine Fähigkeit zur Nachsicht. Er hatte Eva ermordet. Der Mörtelkübel damals war nicht aus Versehen umgestürzt; Andro hatte – auf seinen, Blaine Fracass' Befehl – die auf dem Baugerüst beschäftigte Einheit darauf programmiert. Zwar hatte sie es herausgefordert, denn sie erpreßte ihn mit seiner Beziehung zu dieser ungemein vielseitigen Einheit und nutzte ihre Position als First Lady zu allerlei spektakulären Extravaganzen aus. Dennoch, sie war meine Liebste gewesen, und die Tatsache blieb bestehen, daß er sie getötet hatte.
»Micki sagte, es ginge nicht anders«, behauptete er auf dem Band.
Also war auch er nur ein Befehlsempfänger. Ich wünschte mir – falls ich dieses Desaster überlebte –, diesen Herrn eines Tages kennenzulernen. Ja, wahrhaftig. Ich ballte die Fäuste und malte mir aus, wie ich es diesem Gebieter aller Gebieter heimzahlen würde, wenn sich die Gelegenheit bot. Doch nach dem Zorn kam die Trauer. Arme Eva. Vernichtet von Unbedachtsamkeit und Gier. Tränen liefen mir über die Wangen. Ich konnte nicht anders; sie war auf ihre schroffe Art ein Schatz gewesen, und ich hatte sie geliebt – glaube ich.
Und weshalb war Blaine nach Armstrong gereist, um Micki Dee zu treffen? Zu einer Notfallbesprechung über seine Wahlchancen, lautete die Antwort. Die Stimme tönte immer noch sachlich und emotionslos aus den Lautsprechern des Raumers. Und das Thema dieser Besprechung? »Verschiedene Strategien.« Zum Beispiel? »Eine Invasion Horizonts.« Unter welchem Vorwand? »Irgendeinem.« Wurde diese Strategie beschlossen? »Nein. Auf lange Sicht nützt uns ein blühendes Horizont mehr. Eine Invasion würde kurzfristig Punkte bringen, doch ohne eine stärkere Machtposition, als wir sie im Moment haben, könnte sie uns später politisch schaden.« Dann wird die Invasion durchgeführt, falls Sie wiedergewählt werden und es Ihnen gelingt, Ihre Position auszubauen? »Mit Gottes Hilfe, ja. Und etwas weniger Skandalen. Das wäre angenehm.« Welche anderen Strategien zur Verbesserung Ihrer Wahlchancen haben Sie mit Gebieter Dee besprochen? »Wieder zu heiraten. Die Sache mit dem Trauerflor hat an Reiz verloren. Eine Kampagne läuft besser mit einer lebendigen First Lady als mit dem Gedenken an eine tote. Besonders jetzt, da man wieder über meine ›Schwäche‹ zu munkeln beginnt.« Und habt ihr euch auf diese Politik geeinigt? »Ja. Eine Heirat katapultiert mich zehn bis fünfzehn Listenplätze nach oben. Micki will mich mit einem seiner Capos in Kommerz zusammenbringen. Der Knabe hat eine heiratsfähige Tochter und ist dem Paten noch einen Gefallen schuldig. Diesmal werde ich vorsichtiger sein müssen, was Andro betrifft. Vielleicht bleibt mir nichts anderes übrig, als ganz auf ihn zu verzichten und den Familienvater zu spielen. Was man nicht alles tun muß, um gewählt zu werden. Aber verdammt noch mal, so, wie es jetzt aussieht, braucht sie von mir aus nicht einmal Humanistin sein – solange sie nicht wieder eine degenerierte, rauschgiftsüchtige, lesbische, abgehalfterte Hure ist wie die letzte, bin ich schon ganz zufrieden.«
Ein oder zwei Ehefrauen änderten geschwind ihre Meinung und sprachen ein stummes Gebet für seine Seele. Der Pilot gab bekannt, daß die Aufzeichnung zu Ende sei. Ein Gebieter neben uns sagte, nichts davon sei wahr, man hätte ihn gezwungen, diese Aussagen zu machen. »ist es nicht so, Reverend Präsident?« fragte er bittend.
»Nein.«
Sein Nachbar legte ihm die Hand auf den Arm und meinte, es wäre klüger abzuwarten, bis die Wirkung des Serums abgeklungen sei, bevor man ihm weitere Fragen stellte. Der erste bestätigte kopfnickend die Weisheit dieses Vorschlags und sagte, ja, das wäre viel besser, dann sei er bestimmt in der Lage, alles zu erklären. Ich gewann den Eindruck, daß trotz der laut und deutlich verkündeten Wahrheit seine Anhänger aus Eigeninteresse durchaus bereit waren, jeden Widerruf zu akzeptieren, sobald er ihn auszusprechen in der Lage war. Die Anstrengungen, die Menschen auf sich zu nehmen bereit waren, nur um sich ihre
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