Mein Leben als Androidin
unbeabsichtigt, bis auf meinen kleinen Racheakt an Roland – Sie erinnern sich, die Pillen? –, und dafür war ich bereits ausreichend gestraft worden, wie die Narbe an meinem Rücken und die in den Stallungen verlorenen Jahre bezeugen konnten. Und nicht ich hatte die tragbare Medienkonsole geworfen, die Roland aus dem Cadillac und in den Tod stieß; das war Eva gewesen. Dann fiel mir die Rolle ein, die ich als Androidenterroristin in Terror Orbit gespielt und wie sehr ich sie genossen hatte. War das Universum so unkritisch, daß man sogar für fiktive Verbrechen bezahlen mußte? Wie absurd! Nein. Sämtliche Theorien von einer zyklischen oder hierarchischen Gesetzmäßigkeit des Kosmos waren ebenso schlüpfrig und wenig greifbar wie die Behauptungen meines Erweckers, des Chefs, dessen eigene Termination durch die Ingenieure Pirouets meinem anfänglichen Glauben an seine Philosophie ein verständliches Ende gesetzt hatte. Der letzte Funke Interesse, durch Tad und Anna in mir angefacht, war durch diesen jüngsten Schicksalsschlag ausgelöscht worden. Nein. Es gab nur eins, dessen ich mir ganz sicher war: Wenn es bei dieser Entführung nicht bald zu einer Einigung kam, lief meine Frist ab, und der aktivierte Alarm würde mich um den Verstand bringen.
In der zwölften Stunde unseres Martyriums, siebzehneinhalb Stunden, nachdem ich von der AÜ in Armstrong markiert worden war, erreichte unser Schiff den Roten Planeten. Doch unsere Hoffnungen wurden enttäuscht, als wir, statt am Raumhafen anzudocken, in eine Umlaufbahn einschwenkten, weil die Verhandlungen mit der Regierung von Frontera immer noch kein Ergebnis gebracht hatten. »Komm schon, Smedly. Laß uns nicht hängen«, hörte ich Blaine murmeln. »So nah und doch fern«, sagte einer der anderen Humanisten wie im Traum. Dann tauchte steuerbord die Flotte auf. Das große Panoramafenster gewährte einen ungehinderten Ausblick. Es waren ein halbes Dutzend Zerstörer und zwei Schlachtenkreuzer, alle mit den Insignien der Raumstreitkräfte von Frontera versehen. Ihr Auftauchen erzürnte die Entführer, die sich eine freie Zone von fünfhundert Meilen ausbedungen hatten. Sie wurden grob, reizbar und nervös, was unsere Angst vergrößerte, denn wir fürchteten, die geringste Provokation könnte Hinrichtungen zur Folge haben. Nach weiteren drei Stunden ergebnislosen Hin und Hers verkündete der Pilot über Lautsprecher, daß die Gebieter offenbar weder an ihren Forderungen noch an unserem Wohlergehen interessiert seien. Wenn man in Frontera erst Leichen sehen mußte, um die RAG ernst zu nehmen – bitte sehr.
Unsere Nerven waren bis zum Zerreißen angespannt, jeden Moment rechneten wir damit, daß man einen von uns auswählte und mit dem Laser niederschoß oder zur Luftschleuse führte. Und niemand, absolut niemand, am allerwenigsten Blaine, wünschte sich eine gewagte Rettungsaktion der Flotte, erst recht nicht, als der Pilot bekanntgab, bei den ersten Anzeichen von Feindseligkeiten würde man unseren neuen Kabinensteward ins All hinauskatapultieren. Daher wirkte es keineswegs – wie vielleicht beabsichtigt – beruhigend auf uns, daß die Zerstörer und kleineren Angriffskreuzer unser Schiff umkreisten, am Heck aus dem Sichtbereich verschwanden, um seitlich wieder aufzutauchen. Je länger die Flotte mit uns auf gleichem Kurs blieb, desto inbrünstiger beteten meine Gefährten, sie möchte einfach abziehen oder uns zum Raumhafen eskortieren. Obwohl man nur einen hysterischen Passagier im rückwärtigen Abteil schreien hörte: »Bitte, um der Liebe Gottes willen, gebt diesen Droidenbastarden, was sie verlangen!«, glaube ich, daß diese Auffassung insgeheim von allen geteilt wurde. Blaine konnte man beim Reinigen der Toiletten seine eigene, ziemlich paranoide Interpretation des Geschehens vor sich hin brabbeln hören: »Sie werden angreifen. Lieber Gott, das ist kein Geiseldrama, es ist eine Verschwörung. Micki Dee ist zu Smedly umgeschwenkt. Man will mich aus dem Weg räumen!« (Ich sage ziemlich paranoid, weil er mit der ersten Vermutung recht behalten sollte, während die zweite – obwohl in Anbetracht der interplanetaren Realpolitik gar nicht abwegig – sich in diesem konkreten Fall als völlig unbegründet erwies.) Als die Entführer zur Vorsicht Raumanzüge anzulegen begannen – die leuchtend gelben, aufblasbaren Standardexemplare, die man unter den Sitzen der Raumer vorfindet –, folgten sämtliche Passagiere ihrem Beispiel, und die Spannung verstärkte
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