Mein Leben als Androidin
Illusionen zu bewahren, sind wirklich erstaunlich. Oder vielleicht neigten sie einfach dazu, Vergebung zu üben wie wir P9, denn schließlich und endlich war er einer der ihren.
Warum aber sind diese Aufzeichnungen nie an die Öffentlichkeit gelangt? fragen Sie jetzt mißtrauisch. Sie fragen sich, ob ich alles nicht nur erfunden habe, um das Andenken des großen Mannes zu beschmutzen. Nun, liebe(r) Leser(in), als die Regierung in Frontera begann, die Verhandlungen über unsere Freilassung im Gegenzug für die Anerkennung des Kodex hinauszuzögern, versuchte die RAG, die Aufnahme über die Funkanlage im Cockpit des Raumers an das interplanetarische Publikum zu senden, aber die Übermittlung wurde durch Störsignale verhindert. Unsere Entführer gerieten darüber dermaßen in Rage, daß sie die ungehinderte Übertragung zum Punkt eins ihrer Liste von Forderungen erhoben. Ganz offensichtlich war ihnen kein Erfolg beschieden, da Sie das Band niemals gehört haben. Und das trotz der flehentlichen Gebete der Passagiere (Imaginierungen, in meinem Fall), denen man mitgeteilt hatte, daß die Übertragung die Voraussetzung für ihre Freilassung war. Glauben Sie mir, als unfreiwillige Mitwirkende bei einem ›Zwischenfall‹, wie diesem erscheinen politische Konzessionen äußerst belanglos im Vergleich zum eigenen Wohlergehen.
Blaine andererseits wußte es besser, und da er immer noch unter dem Einfluß des T-Max stand, konnte er nicht anders als aussprechen, was niemand hören wollte: daß die Regierung nicht zögern würde, ihn und jeden einzelnen an Bord des Raumschiffs zu opfern, um zu verhindern, daß die ganze Wahrheit über United Systems und Micki Dee ans Licht kam. Die Terroristen, sagte er, hatten einen schweren Fehler begangen, als sie sich auf die eine Forderung versteiften, der Frontera unter keinen Umständen nachgeben konnte. Doch um die Wahrheit zu sagen (oh, wie sehr sie wünschten, er möge es bleiben lassen!), es gab keine einzige Bedingung, die Frontera zu erfüllen willens war. Seine Regierung befolgte eine strikte Anti-Terrorismuspolitik, die keinerlei Verhandlungen zuließ, ungeachtet der möglichen Konsequenzen, und nach seiner Überzeugung würde Vizepräsident Smedly nur allzu glücklich sein, während der anstehenden Krise den harten Kurs beizuhalten. »Ich wette, er bereitet sich schon darauf vor, sein Kabinett zu benennen. Wir sind verloren.« Er starrte auf den Boden. »Verloren.«
Kapitel zehn
Für all jene, die in der Stunde der Not in ihrem Präsidenten ein ermutigendes Vorbild zu finden gehofft hatten, war Blaine Fracass eine herbe Enttäuschung. Als Gegenleistung für die Betäubung seiner gebrochenen Hand erniedrigte er sich zum Lakaien der Terroristen. Seine Pflichten waren vielfältig. Er übermittelte den Passagieren die Anweisungen bezüglich der Waschraumbenutzung, erfreute sich des Privilegs, die unregelmäßigen und viel zu seltenen Mahlzeiten servieren zu dürfen, und reinigte die Toiletten, wenn sie auf Grund der Überfrequentierung wieder einmal verstopft waren. Kurz und gut, der Präsident wurde zum Faktotum, eine Quelle der Verlegenheit für seine Anhänger und eine armselige Gestalt für die übrigen Passagiere. Und als die Minuten vorüberschlichen und zu langen, unerträglichen Stunden voller Angst verschmolzen, ergriff dieselbe schwere und allumfassende Mutlosigkeit auch von dem standhaftesten Passagier Besitz. Unsere Gruppe verfiel in eine kollektive Lähmung, aus der nicht einmal die gelegentlichen ideologischen Tiraden unserer Entführer uns aufrütteln konnten. Besonders meine Lage war merkwürdig, wenn nicht delikat, und ich sollte hier eine kurze Erläuterung einfügen. Einfach gesagt, ich sympathisierte mit der Politik der neuen Gebieter, doch litt ich unter ihren Methoden, also konnte ich mich mit keiner Seite identifizieren, während ich von beiden gepeinigt wurde. Eine seltsame Situation, finden Sie nicht? Und vielleicht die grausamste Zwickmühle überhaupt. Stumm verdammte ich die Aquarier und ihr Gerede von einem mitleidigen Kosmos, denn nie schien mir Horizont ferner zu sein und ein Wiedersehen mit Jubilee und Tad unwahrscheinlicher. Ich sann darüber nach, ob Juniors Philosophie doch die richtige gewesen war: Agierte ich auf einer der Bühnen droben und büßte für die Fehler aus vergangenen Reinkarnationen? Möglich, aber wenn ja, welches Verbrechen rechtfertigte eine solche Sühne? Alle Missetaten, die ich vielleicht begangen hatte, waren
Weitere Kostenlose Bücher