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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
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auf, aber nur, um vornübergebeugt und die verletzte Hand in die gesunde gestützt, durch das Abteil zu stolpern, während die treuen Gefolgsleute wie angeleimt sitzenblieben, viel zu eingeschüchtert, um ihm zu Hilfe zu eilen. »Dafür gab es keinen Grund. O gütiger Menschengott, das tut weh!« Verachtungsvoll stieß die Stewardeß ihn wieder in seinen Sitz und warf ihm einen Anästhesiespray in den Schoß. Ich sprühte ihm die Hand ein, und der Schmerz verging. »Danke, Angelika. Das ist sehr human von dir.« Und zu seiner Peinigerin gewandt: »Findest du nicht, daß du es ein wenig zu weit treibst?«
    »Mach dir nichts vor«, antwortete sie und lächelte zum erstenmal. »Wir sind keine Agents provocateurs, wie du zu glauben scheinst.« Etwas in ihrer Miene überzeugte ihn. Eingeschüchtert wandte er den Blick ab und widmete sich der Untersuchung seiner Finger. »Ich brauche einen Arzt«, wimmerte er und schaute zu der Stewardeß. »Halt's Maul!« schnauzte sie.
    Dann erschienen der Copilot und der Navigator, um ihn zum Verhör zu bringen. Sie legten eine ausgelassene, übersteigerte Heiterkeit an den Tag, wie sie von Unterdrückten Besitz ergreift, wenn sie plötzlich am längeren Hebel sitzen. Anfangs spielte Blaine den Tapferen: »Das ist eine Kleinigkeit; ich habe schon jede Menge Fragen beantwortet«, als wäre das Verhör lediglich eine der üblichen Pressekonferenzen. Doch als er hörte, daß man ihm eine Dosis T-Max injizieren wollte, wurde er blaß. »Wahrheitsserum? O Gott, nein. Alles, nur das nicht.« Jeder der beiden Männer packte einen Arm, dann hievten sie ihn aus seinem Sitz und zerrten ihn aus der Lounge. »Bitte nicht. Es gibt Dinge, über die darf ich nicht sprechen. Man wird mich töten, wenn ich es tue. Hier. Brecht mir noch ein paar Finger. Brecht mir den Arm! Das Bein! Alles. Aber zwingt mich nicht, die …« Die Tür fiel ins Schloß. Während der zwei oder drei Stunden, die wir nichts von ihm hörten, wagte keiner von uns Zurückgebliebenen den Blick zu heben oder etwas zu sagen. Jetzt wußte ich hundertprozentig sicher, daß die Entführung kein Theater war – eine unerwartete interplanetarische Krise, die die Inszenierung von Blaines Mitstreitern zunichte gemacht hatte. Vielleicht warteten seine Terroristen in Kommerz, um ihn zu entführen. Wie auch immer, die Realität war ihnen zuvorgekommen – falls die sogenannte Realität nicht auch nur jemandes Inszenierung ist. Nachdem man Blaine in die Lounge zurückgebracht hatte, ließen uns die Entführer über das Lautsprechersystem in den Genuß des Mitschnitts seiner Aussagen kommen. »Sollen eures Anführers eigene Worte«, sagte der Pilot, »euch von der Perfidie der Humanistenpartei überzeugen und die Aktion rechtfertigen, die wir im Namen der Androidenbefreiung durchgeführt haben.« Was folgte, war das bemerkenswerteste Interview, das die Welten je gehört haben. Nennen wir es das Concordia-Band. Als Pressekonferenz auf dem Mars wäre es die bemerkenswerteste gewesen, die je stattgefunden hat, denn nicht einmal machte sich der Präsident der sonst obligatorischen Unarten schuldig: Ausflüchte suchen, Anekdötchen erzählen, Unwissenheit vortäuschen, Rückzieher machen, klarstellen, sich distanzieren, wieder klarstellen, abschweifen, ausweichen, abblocken, abschwächen, ablenken, abstreiten, heucheln, leugnen, sich widersprechen, spiegelfechten, schönfärben, schwafeln, verschleiern, verschweigen, vertuschen, widerrufen, witzeln und lügen, notlügen, schamlos lügen, himmelschreiend lügen – nein, er erzählte seinen Befragern nichts als die reine, ungeschminkte, absolute, wahre Wahrheit. Was dabei herauskaum, war eine Bestätigung all dessen, was die Hochaquarier seit Jahren von ihm behaupteten. Keine Lüge. Ich berichte an dieser Stelle darüber, weil es keine andere Quelle für dieses Material mehr gibt.
    Zuerst der Gesamtüberblick. United Systems und Micki Dee arbeiteten Hand in Hand, um den Mars unter ihre Kontrolle zu bringen. Als Deckmantel dienten die Humanisten in Frontera, die Droidenfurcht, -haß und -neid in der Bevölkerung schürten und sich dadurch an der Macht hielten. Nicht nur das, der Multi und der Mafioso hatten auch mit Blaine einen Handel abgeschlossen, wodurch im Rahmen der Privatisierungspolitik der Regierung der Gesamtausverkauf öffentlicher Institutionen und staatlicher Industriebetriebe ermöglicht wurde und der Einflußbereich des Multis sich noch weiter ausdehnte. Warum? Um sich unmittelbaren

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