Mein Leben als Androidin
auf der Rückbank, als die von einem Chauffeur gesteuerte Regierungslimousine die Biokuppel von Kommerz hinter sich ließ, anschließend die kleineren Vorstadtkuppeln und dann mit Kurs Nord über die weite NASA-Ebene flog, in Richtung auf die Schürfgebiete. Da wir allein waren, erkühnte sich Andro, Molly II zu aktivieren: er sehnte sich nach ihrer Absolution für seine notgedrungene Einwilligung in unsere Ermordung. Es gab wirklich keinen Ausweg, erklärte er und breitete hilflos die Arme aus. Er hatte erwogen, eine Palastrevolte zu inszenieren, um Smedly an die Macht zu bringen, die Möglichkeit aber verworfen, denn es gab keine Garantie, daß er seinen Posten behalten würde. »Im besten Fall kann ich damit rechnen, mit einer Stelle als Dozent für Politwissenschaften in irgendeinem armseligen regionalen Universitätsorbiter belohnt zu werden. Ich kann mir keine schlimmere Strafe vorstellen, Molly, von der Arbeit in den Minen einmal abgesehen.« Er hatte sogar daran gedacht, General Harpi einen Militärputsch vorzuschlagen, aber auch dann konnte er nicht sicher sein, das wunderschöne Zimmer im Palast zu behalten. ›Feigling!‹ donnerte sein Gewissen.
Ach, aber seine Molly hielt sich so genau an ihr Programm, war so tröstend und verständnisvoll, daß es ihm dieses eine Mal glückte, sich gegen die unbequeme Stimme durchzusetzen. Molly II beschwichtigte ihn, er hätte schließlich für sie getan, was er konnte, ohne seine eigene Stellung zu gefährden, und sie wäre dankbar für die schöne gemeinsame Zeit im Palast, mehr könnte man in einem Leben nicht verlangen.
Diese Fähigkeit zur Selbstaufgabe darf nicht überraschen, sie war ein Grundzug ihres Programms, da Andro keine Lust hatte, in schwierigen Situationen eine hysterische Mätresse beruhigen zu müssen. Trotzdem war er aufrichtig gerührt von ihrer selbstlosen Opferbereitschaft und alles andere verdrängenden Sorge um sein Wohlergehen, auch wenn es sich um künstliche Emotionen handelte, denn seit der Erschaffung von Molly II war so viel Zeit vergangen, daß er sich an die Illusion gewöhnt hatte. »Du darfst nicht zu lange trauern, wenn ich fort bin«, sagte sie und beschwor ihn, nur an sich zu denken, einen neuen P9 zu suchen – ja, ja, ja, sie wollte es so, keine Widerworte, es war am besten so usw. Überwältigt schloß er seine tapfere und wunderschöne Molly in die Arme, allerdings nicht, ohne sich vorher überzeugt zu haben, daß der Colorregler für die Trennscheibe zum Cockpit eingeschaltet war, damit der Chauffeur sie nicht im Innenspiegel beobachten konnte. Andro war nicht abgeneigt, die Gelegenheit zu nutzen und sie auf dem Rücksitz zu beglücken, doch hielt er inne, weil er das Gefühl hatte, es sei etwas nicht in Ordnung. »Molly, entweder ist mein interner Kompaß gestört, oder wir haben soeben den Kurs geändert. Wir fliegen nach Südwesten statt in nördlicher Richtung zu den Minen.« Er schaltete den Colorregler aus und versuchte, über das Interkom mit dem Chauffeur zu sprechen. Die Einheit gab keine Antwort. Endlich dämmerte es ihm. »Das ist nicht dein Chauffeur!« »Oh, werden wir entführt? Wie aufregend.« »Süd-Südwest. Das ist die Grenze nach Horizont.« »Dann ist es dein Gewissen, das unser Aero steuert?« Ohne auf ihre Frage zu achten, aktivierte er das First Lady-Programm, denn, wie er sogleich folgerte, eine Entführung war Blaines Zielen ebenso förderlich, deshalb kam es darauf an, daß ihr Werkzeug die passende Rolle spielte. »Das ist besser als ein Grenzzwischenfall. Sie spielen uns genau in die Hände. Aber verraten Sie niemandem, was ich eben gesagt habe, Lady Fracass. Die letzte Bemerkung löschen.«
»Du meinst, ich werde nicht bei einem Attentat getötet und von der gesamten Nation betrauert?« beschwerte sich die First Lady aufgebracht. »Das ist unfair!«
Fünfzehn Minuten später überflog unsere Limousine die Grenze und näherte sich nach einer Rechtskurve der Hauptkuppel von Mandala, einem schillernden, vielfarbigen Juwel in der rotbraunen marsianischen Ebene. Wir passierten die Eingangsluke und steuerten das Dach eines großen, sternförmigen Gebäudes an, ein oder zwei Meilen vom Marktplatz entfernt gelegen: P9-Reversion. Gleich nach der Landung kamen die Berater vom Dienst herbeigeeilt, und einer öffnete die Kabinentür, sobald der Pilot im Cockpit die Zentralverriegelung ausgeschaltet hatte, doch Andro stand dahinter und verwehrte ihnen den Zutritt. Er gebärdete sich als unser Beschützer,
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