Mein Leben als Androidin
gewonnenen Prozeß gegen die Aquarier in Armstrong eingeliefert hatte, und anschließend berichtete er von seiner Rückkehr nach Horizont via Underground-Skyway. Was er dabei alles erlebt hatte, war zu vielfältig, um auf einem so kurzen Flug erzählt zu werden, sagte er, vielleicht fand er eines Tages die Zeit, eine Buchspule über seine Abenteuer zu verfassen. Wie er mich aus den Klauen von Blaine Fracass befreit hatte, würde der Höhepunkt der Geschichte sein, denn sein ganzes Lebensglück hing davon ab, daß wir endlich unser gemeinsames Frohmat on line brachten, den humanistischen Präsidenten bloßzustellen und seine Regierung zu stürzen. Er hatte den Entführungsplan vor dem Obersten Konsensorium geheimgehalten, weil man dort aus Prinzip dagegengestimmt haben würde, wie er auch, wäre er nicht persönlich betroffen gewesen. Es war nicht die Art der Aquarier, Menschen (oder Einheiten) zu entführen und Skandale zu verursachen; vielmehr hatte die Kolonie sich darauf festgelegt, oberflächliche Manifestationen psychischer Massendiskordanz, wie zum Beispiel geopolitische Spannungen, durch interne harmonische Konvergenz zu beheben. (›Wunschdenken‹ mit anderen Worten, wie Blaine es abschätzig ausgedrückt haben würde.) Doch am meisten freute er sich, mir mitteilen zu können, daß Jubilee sich in Horizont aufhielt und daß die Familie bald wieder vereint sein würde. Die gemeinsame Enkelin (und Tochter seiner Molly) war inzwischen zu einem wunderschönen halbwüchsigen Semi herangereift – in der äußeren Erscheinung einem Menschenkind von zwölf Jahren vergleichbar. Er lobte sie in den Himmel, schilderte ihr langes, feines, bernsteinfarbenes Haar und die strahlenden grünen Augen, so fröhlich, klug und wißbegierig. Sie war eine vielversprechende Schülerin der Formatierungswissenschaften und schnitt bei Zwischenprüfungen stets überdurchschnittlich gut ab; zudem war sie Zweitbeste im pankolonialen kooperativen Aufsatzwettbewerb über die Theologie des Überflusses geworden. Er hoffte, sie würde auch im Audimax anwesend sein. Vielleicht erlaubten ihr die Oberen Adepten, auf die Bühne zu kommen, um sie nach der Landung zu begrüßen.
Molly II lächelte ausdruckslos, während sie – fasziniert von der Aussicht – verstohlene Blicke aus dem Fenster warf. Tad glaubte, er hätte mit seinen Worten über Jubilee die Erinnerung an Junior wachgerufen, und deshalb wunderte er sich nicht über ihre Schweigsamkeit. Doch wenn sie sich tatsächlich um Junior sorgte, dann verfügte er über Informationen, um sie aufzuheitern: Das Comeback ihres gemeinsamen Sohnes war gescheitert, die Mace Pendleton-Serie nach wenigen Folgen abgesetzt worden. Dahlia glaubte, jetzt eine gute Ausgangsbasis für neuerliche Verhandlungen über einen Verkauf zu haben.
»Das ist fein«, bemerkte Molly II, um nicht unhöflich zu erscheinen, dann fügte sie hinzu: »Hier ist es wirklich aufregend. Horizont ist so sehr viel größer als dein Zimmer. Ich bin froh, daß du dich entschlossen hast, deinem Gewissen zu folgen. Aber du weißt, daß wir nicht lange verweilen dürfen. Die Invasion steht unmittelbar bevor.«
Wieder hörte Tad nicht zu, weil er von dem Audimax abgelenkt wurde, das eben in Sicht kam. »Da ist es!» Er beschrieb einen Bogen und schwebte über den äußeren Rand der fünfzehntausend Sitzplätze fassenden Schüssel, die man aus dem gewachsenen Marsstein an der Nordseite des Forums von Mandala herausgehauen hatte. Während die Limousine zur Landung ansetzte, konnten sie beobachten, wie sich die Arena im Handumdrehen mit Tausenden von weißen, blauen, orangenen und regenbogenfarbigen Gewändern füllte, wobei jede Farbe den Formatierungsgrad des Trägers in der Gemeinschaft anzeigte, vom Novizen bis zum Adepten. Die Limousine schwebte dicht über den Versammelten dahin, und nachdem er den ernsten, vorwurfsvollen Ausdruck auf den Gesichtern bemerkt hatte, gab Tad kleinlaut zu, daß er mit solch einhelliger Mißbilligung nicht gerechnet hatte. »Wie es scheint, sind sie der Ansicht, daß ich Horizonts gewaltlose Nichteinmischungspolitik verletzt habe. Ich wette, der Konsensus läuft darauf hinaus, daß ich dich umgehend nach Kommerz zurückbringen soll. Aber mach dir keine Sorgen. Sobald ich ihnen die Situation erklärt habe – daß du ein P9 bist und unter keinen Umständen zurückkehren willst –, werden sie dich mit offenen Armen aufnehmen und dir Asyl gewähren, mögen Hölle oder Humanisten deine Auslieferung
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