Mein Leben als Androidin
ein Abwenden der Augen beim Servieren, um seinen bedeutungsvollen Blicken auszuweichen. Während der Ruheperioden auf dem Wohnzimmersofa mimte ich tiefe Stasis in der Hoffnung, er werde mich unbehelligt lassen. »Wach auf. Wach auf«, pflegte er zu sagen, statt mich mit den Standardbefehl zu aktivieren, und ich gab standhaft vor, nichts gehört zu haben. Dieses Ausweichen geschah so unauffällig, daß die anderen nichts merkten, nur für Tad war es nicht zu übersehen, und unter dem Aspekt unserer seltsamen Beziehung nahm er es für das Zeichen, auf das er gewartet hatte. Ein Blick in seine forschenden Augen genügte, um mein reibungsloses Funktionieren zu unterminieren, und das blieb ihm nicht verborgen. In der Folge wurden seine Bemühungen direkter. »Du kannst mit mir reden, Molly. Bitte, vertrau mir. Ich kann dir helfen.« (Ich brauchte seine Hilfe nicht und bedurfte nicht seines Vertrauens.) »In dir steckt mehr, als du glaubst.« (Was in der Welt wollte dieser verschrobene Gebieter andeuten? Ich fühlte mich wirklich beunruhigt.) »Sag mir, Molly, hast du kürzlich von deinem Chef gehört?« Er zwinkerte verschwörerisch. »Wie Sie wünschen, Gebieter.« – »O Molly, Molly, Molly, Molly, du brauchst doch keine Angst zu haben.« Und bei anderer Gelegenheit: »He, Molly, was gibt's Neues vom Chef?«
Er wurde zunehmend kühner und sorgloser. Eines Tages, als er mich in der Küche in die Enge getrieben hatte, wo ich den Strahlenherd polierte, hörte seine Mutter, wie er mich unverhohlen bedrängte, die Fesseln meiner Programmierung zu sprengen. »Was hast du schon zu verlieren außer einer künstlich geschaffenen Persönlichkeit?« Meine Gebieterin war unbemerkt hinter ihn getreten, und er zuckte vor Überraschung und Schreck zusammen, als sie ihm mit eisiger Stimme mitteilte, daß er die Rechnung zahlen dürfe, wenn seine Albernheiten einen zweiten Kuraufenthalt für mich erforderlich machen sollten. Das versetzte seinem Enthusiasmus einen Dämpfer, besonders als sein Vater ihn sich vorknöpfte und ihn auf das finanzielle Risiko seiner Handlungsweise aufmerksam machte, denn im Falle einer ernsthaften Beschädigung ließ sich aus mir kein Gewinn mehr ziehen.
»Sohn, bestimmt erwartest du nicht, daß die Firmengarantie Schäden abdeckt, die durch unsachgemäße Handhabung verursacht wurden, wie zum Beispiel Herumpfuschen an der Programmierung.« Mit einem mürrischen Achselzucken gab Tad zu, daß er daran nicht gedacht hatte. »Gut. Wenn du eines Tages genug Geld hast, um deinen eigenen Androiden zu kaufen, kannst du damit machen, was du willst, aber bis dahin laß Molly in Ruhe.«
Doch weit davon entfernt, geläutert zu sein, überlegte Tad sich eine effektivere Strategie und verlegte seine umstürzlerischen Aktionen von der Tages- auf die Nachtzeit, um nicht wieder ertappt zu werden. Meine Lagerstatt auf der Wohnzimmercouch wurde unser konspiratives Hinterzimmer. Mit Flüsterstimme weckte er mich gegen 2 Uhr morgens aus der Stasis und drängte mich, den Gefühlen freien Lauf zu lassen, von denen er behauptete, daß sie sich in meiner Brust regten. Abgesehen vom Licht des Mondes, das seiner Akne schmeichelte, schuf der weiche, diffuse Schimmer des Infrarot-Auges an seinem Videoanstecker eine Atmosphäre der Ungesetzlichkeit. (Er zeichnete unsere Sitzungen für die LRA auf, sollten sie Früchte tragen.) Er fragte, ob ich mich an einen Tag vor ziemlich genau einem Jahr erinnern könnte – den 19. August, um genau zu sein –, als der Chef zu mir gesprochen hatte.
»Wie Sie wünschen.«
»Bitte. Sag das nicht immer.«
»Wie Sie wünschen.«
»Molly.«
»Ja, Gebieter Tad?«
»Erinnerst du dich an die Ereignisse des 19. August?«
»Nein, Gebieter. Ich erinnere mich nicht.«
»Doch. Konsultiere deinen Gedächtnisspeicher. Laß dir Zeit. Bleib in Halbrelaxo und denk an die Vergangenheit zurück. Erinnere dich an den 19.«
Ich hatte in der Kur so gründlich vergessen gelernt, daß es mir schwerfiel, einem derartigen Befehl zu gehorchen. Warum konnte er mir nicht auftragen, Aschenbecher auszuleeren und die Böden zu saugen? Er war schon ein sehr ungewöhnlicher Gebieter. Immerhin, ich fühlte mich verpflichtet, ihm gefällig zu sein, und mußte überrascht feststellen, daß tatsächlich etwas Dunkles und fast Vergessenes unter der Programmierung lauerte – nicht eben eine sehr angenehme Entdeckung, aber sie verursachte ein kurzes Aufflackern von Neugier.
»Das war ein guter Anfang, Molly.« Doch er schien
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