Mein Leben als Androidin
wir schweigend nebeneinander; er lauschte angespannt auf die Geräusche im Haus, während ich in wohliger Entspannung meine Gedanken schweifen ließ. Erinnerungen an vergangene, ähnliche Situationen regten sich und perlten an die Bewußtseinsoberfläche. »Ich entsinne mich«, sagte ich, was ihn erst überraschte und dann verwirrte, denn er glaubte, ich meinte den Chef, während ich an seinen Vater dachte. Im Flüsterton – er bestand darauf – berichtete ich ihm unzusammenhängend und bruchstückhaft von jener früheren Affäre.
»Paps? Mit dir?« Er konnte es nicht fassen.
»Nicht mehr. Suzy Merci.«
»Du hast doch einen Defekt!«
Dieses Wort rief neue Bilder hervor. »Ich habe Wein verschüttet.« Das fatale Abendessen lief vor meinem inneren Auge ab. »Du hast mein Glas gefüllt.« Dann ragte die einschüchternde Gestalt seines Vaters vor mir auf. »Mein Gebieter hat mir befohlen, abzuschalten. Aber der Chef … der Chef hat nein gesagt. Der Chef hat gesagt, er, der kontrolliert, kann auch befreien.«
»Jetzt redest du endlich vernünftig, Molly.« Er kramte im Dunkeln zwischen seinen Kleidern nach dem Videoanstecker und ermunterte mich, weiterzusprechen, um nicht den Faden zu verlieren. Er fragte, was der Chef noch gesagt hatte, und ich wollte ihm gerade erzählen, daß jeder seine eigene Realität formatiert, als er mir plötzlich den Mund zuhielt. Jemand kam die Wendeltreppe herunter. Ein Blick auf die schwarzen Pantoffeln und Pyjamahosen auf der obersten Stufe genügte mir, um zu wissen, daß es sich um Locke senior handelte; er war auf dem Weg zu Suzy Merci im Parterre. Doch der Junior glaubte, wir seien entdeckt, also raffte er seine Kleider zusammen und verschwand hinter dem Aquarium, während ich auf dem Teppich liegenblieb, wo mein Gebieter über mich stolperte. Nachdem er seine Verblüffung überwunden hatte, musterte er blinzelnd meinen immer noch sacht bebenden Körper, wie er sich im Mondschein auf dem Teppich rekelte, und muß zu dem Schluß gekommen sein, daß ich ihn verführen wollte, denn Null Komma nichts hatte er mich aufgehoben und wisperte mir ins Ohr: »Molly, du solltest wirklich um diese Zeit nicht mehr unterwegs sein. Aber schon gut, dieses eine Mal. Um der alten Zeiten willen.« Er lachte in sich hinein. »Dann geht's ab, in den Orient.«
»Vorfall löschen?« fragte ich, während er mich auf das Bett im Gästezimmer legte, das sich auf derselben Etage, aber im rückwärtigen Teil des Hauses befand. »Noch nicht, Molly«, antwortete er. »Es gibt keinen Grund zur Eile.« Da befand er sich im Irrtum, denn kaum hatte er den Pyjama abgeworfen und sich auf mich gestürzt, als Tad, der inzwischen in die Kleider geschlüpft war, ein lautes Geschrei anstimmte, ich sei verschwunden und »wer weiß, was passiert ist!« Binnen kurzem war das ganze Haus auf den Beinen. Ein Zimmer nach dem anderen wurde durchsucht, Beverly aktivierte Suzy Merci, um bei der Suche zu helfen, während meine Gebieterin sich laut – und in einem Ton, der aufkeimendes Mißtrauen verriet – darüber wunderte, wohin ihr Gatte verschwunden sei.
Vermutlich war sein erster Impuls, durch das Fenster zu entwischen, denn dorthin sprang er mit einem Satz. Er hatte die Möglichkeit, über den Rasen zu laufen, durch ein Badezimmerfenster ins Haus zurückzukehren und sich von dort aus unter die Suchenden zu mischen. Doch er besann sich eines Besseren, denn dieser Fluchtweg barg die Gefahr, seiner eigenen Sicherheitsmaßnahme zum Opfer zu fallen: dem Sears, der nachts das Grundstück patrouillierte. Was blieb ihm anderes übrig – die Schritte kamen immer näher –, als die Hose hochzuziehen und den Dingen mannhaft ins Auge zu sehen.
»Stan, Lieber«, bemerkte meine Gebieterin am nächsten Morgen beim Frühstück, nach einer Nacht voller Tränen, Zornesausbrüchen und gegenseitigen Vorwürfen, »es gibt nichts Erbärmlicheres als einen Droidenficker.« (Ich suchte nach, vermochte aber in meinem Wortschatzspeicher keine Definition dieses Ausdrucks zu finden.) »Aber dieses eine Mal will ich darüber hinwegsehen. Vorausgesetzt, das da« – sie deutete mit dem Kinn auf mich, die ich eben ein Tablett mit Eiern abräumte, auf die niemand Appetit gehabt hatte – »das Ding da geht zurück an Hals gottverdammten Laden. Heute noch.«
Mein Gebieter nickte bereitwillig und ließ ihr nur zu gerne das letzte Wort. Warum auch nicht? Suzy Merci blieb ihm ja erhalten. In diesem Moment stand sie summend in der Küche und goß
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