Mein Leben als Androidin
Schadenersatzprozessen nach dem P9-Massendefekt erstritten, also konnte als einziger noch der Besitzer zur Verantwortung gezogen werden. Man wollte Genugtuung in irgendeiner Form, und sei es nur symbolisch; falls der Angeklagte nicht über die Mittel verfügte, in vollem Umfang oder auch nur teilweise Schadenersatz zu leisten, blieb immer die Möglichkeit, daß der Richter darauf erkannte, den Schurken in den Einzelorbit schießen zu lassen – wie weiland Alexander Seti –, um auf diese Weise seine Schuld gegenüber der Gesellschaft abzubüßen, also hatte General Harpi keineswegs den Eindruck, seine Zeit zu verschwenden, im Gegenteil, er blickte erwartungsvoll jedem neuen Verhandlungstag entgegen. Jug saß smart und vom Ausgang des Verfahrens unerschütterlich überzeugt neben ihm am Anklagetisch, während hinter ihnen Edwin Meese VIII thronte, flankiert von zwei Juniorpartnern aus der Kanzlei.
Nun aber – der Grund, weshalb ich mich zu dem feschen IBM-Juristen hingezogen fühlte, war, abgesehen von der unterschwelligen Männlichkeit, die er verströmte, die Tatsache, daß er aus meiner Sicht meine Interessen zu vertreten schien.
Während ich den Lauf der Gestirne beobachtete, hörte ich mit halbem Ohr, wie er die Ansicht vertrat, daß ich als ordnungsgemäß registrierte Einheit für keine meiner Handlungen gerichtlich belangt werden konnte. Der Richter (eine sanft schimmernde Kugel übrigens, eingelassen in den eichenen, prunkvollen Richtertisch – sie sah aus wie ein riesiges Auge) schien im großen und ganzen seine Ansicht zu teilen wie auch die menschlichen Geschworenen (zwölf unbescholtene Gebieter, aufrecht und ehrlich), die sein Auftreten bewunderten – man konnte es an ihren Gesichtern erkennen. Daher neigte ich während der ersten Tage seiner Seite zu, denn ich fand seine Argumente vernünftig und durchdacht; die Art, wie er sie vorbrachte, überzeugend und sexy, wohingegen Dahlia, deren Konzept darauf gründete, mich als Äquivalent des Menschen darzustellen, einen verkrampften und plumpen Eindruck machte und mir Unbehagen einflößte.
Und doch war sie es, die das magische Wort aussprach: Gedächtnisspeicher. Ein innerlicher Impuls veranlaßte mich, meine Aufmerksamkeit von den Sternen ab- und der Verhandlung zuzuwenden. Auf einmal war ich nicht mehr sicher, auf wessen Seite ich stehen sollte. Dahlia wollte dem Gericht den Inhalt meines Erinnerungsspeichers vorführen, aber nur, um den Freispruch ihres Klienten zu erwirken und mich an seiner Statt auf die Anklagebank zu bringen, während Jug gegen die Vorführung der Datei votierte mit der Begründung, sie sei irrelevant. Falls er sich durchsetzte, wurde ich der Möglichkeit beraubt herauszufinden, wer und was ich war und was ich verbrochen hatte. Ich fühlte mich zwischen zwei Instinkten hin- und hergerissen: Neugier und Selbsterhaltung. Jug fand meinen Beifall, als er anführte, der Angeklagte hätte eindeutig gegen die im interplanetaren Konsumentengesetz geregelte Eigentümerhaftung verstoßen, was an sich genügte, um sofort ein Urteil fällen zu können. Doch ich nickte auch bei Dahlias Worten, daß eine derart buchstabengetreue Befolgung der Statuten eindeutige Besitzverhältnisse voraussetzte, und die waren in Anbetracht meines komplexen und verworrenen Lebenslaufs doch wohl keineswegs gegeben. Der lange Zeitraum, in dem ich als Flüchtling dem direkten Einfluß und der Kontrolle meines Gebieters entzogen gewesen war, diente gleichfalls dazu, den Einwand des Anklägers weniger stichhaltig erscheinen zu lassen.
(Ich, ein Flüchtling? Wirklich, dieser Gedächtnisspeicher interessierte mich mehr und mehr.)
Der Richter entschied, nach Anhörung der Gegenargumente, zugunsten von Jug, dessen erstes Argument besagte, daß ein Kaufvertrag auch bei überlangen Lieferfristen in Kraft blieb, an den Eigentumsverhältnissen also nicht der geringste Zweifel bestand, während das zweite – in Ergänzung des ersten und basierend auf einem früheren Urteil – dahin lautete, daß zum Schutz der Eigentumsrechte die Verfügungsgewalt über eine Einheit weder jetzt noch späterhin durch eine Zusatzverordnung Einschränkungen unterworfen werden dürfe. Somit hatte er Dahlia ausmanövriert.
Nachdem sie diese Runde an meinen Helden verloren hatte, glaubte die erfindungsreiche Apple einen neuen Strick gefunden zu haben, um mich daran aufzuhängen, nämlich eine Lücke im interplanetaren Recht, nach der es möglich war, eine Einheit regreßpflichtig zu
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