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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
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machen, obwohl sie theoretisch nicht gerichtlich belangt werden konnte. Bei dieser Spitzfindigkeit verfärbte sich der Richter zu einem leuchtenden Rosa, während er das bestehende Fallrecht durchforschte, doch wenige Sekunden darauf schimmerte er wieder perlweiß, bezeichnete Dahlias Informationen als lückenhaft und führte die entsprechenden Präzedenzfälle, Daten und Bezirksnummern an, in denen ein für allemal die Priorität von Schadenersatzklauseln, wie sie zum Beispiel in den Standardkaufverträgen enthalten waren, über mögliche Unklarheiten in den Paragraphen über den juristischen Status von Einheiten etabliert worden war.
    An diesem Punkt – etwa sechs Wochen nach Prozeßbeginn – konnte ich ein Lächeln über die offensichtliche Unzufriedenheit meines Gebieters mit dem Vorgehen seiner Verteidigerin nicht unterdrücken und über den blanken Neid auf den Kläger, der sich das überteure Honorar der Besitzer dieses IBM-Genies leisten konnte. Doch Apples sind vielleicht langsam, aber um so erfindungsreicher, also saß ich bald wieder auf der Stuhlkante und biß mir auf die Lippen, als diese besonders findige Juristin ein weiteres Schlupfloch entdeckte, diesmal auf die Hypothese gegründet, meine Gedanken und Handlungen während meiner Existenz als Flüchtling wären typisch für ›autonome Einheiten‹ und zeugten damit für eine Bewußtseinsverfassung, die in keine der vom interplanetaren Zivil- und/oder Strafrecht abgedeckten Kategorien eingeordnet werden konnte, doch im Androidenkodex eindeutig definiert wurde, den zu achten das Gericht verpflichtet war, immerhin hatte die TWAC bei der Entwicklung Pate gestanden und ihn schließlich ratifiziert.
    »Einspruch«, unterbrach Jug, »der Kodex hatte in Frontera keine Gültigkeit zu der Zeit, als die hier zur Debatte stehenden Verbrechen begangen wurden. Deshalb muß er bei diesem Fall außen vor bleiben.«
    Doch dies eine Mal stimmte der Richter mit Dahlia überein und verfügte, der Kodex dürfe angewendet werden, weil der Fall jetzt verhandelt wurde und innerhalb des Gerichtsbereichs der Erde. (Eine fragwürdige Verfügung, befand mein Selbsterhaltungstrieb.)
    Im Gegenzug forderte Jug die Verteidigung auf, auch nur die Andeutung eines Beweises für die Behauptung zu präsentieren, daß es sich bei Beweisstück Eins um eine ›autonome Einheit‹ – ein ausgesprochenes Oxymoron übrigens – handelte, oder mit einer klaren Definition aufzuwarten für den abstrakten und verschwommenen Begriff ›Bewußtseinszustand‹. Ich lächelte hämisch wie er und verschränkte die Arme vor der Brust mit demselben Ausdruck von Selbstzufriedenheit, ohne zu merken, daß ich heimlich für die Abendnachrichten geholot wurde.
    Dahlia lenkte das Augenmerk des Gerichts auf die offiziell anerkannte juristische Definition von Humanoiden der 9. Generation, niedergelegt in dem Juristischen Leitfaden im Anhang des Kodex der Rechte der Androiden aus dem Jahr 2079. Sie zitierte aus dem Gedächtnis: »› … besagte Lebewesen werden hiermit definiert als in ihrer physischen Substanz genetisch verschieden von, jedoch im Prinzip äquivalent zu, in ihren spezifischen Funktionen, mentalen und physischen Prozessen ähnlich einem genuinen Angehörigen der Spezies Homo sapiens; des weiteren ist besagten Einheiten, bedingt durch ihre psychologische Komplexität, eine vergleichbare Komplementarität zu eigen, die die Einordnung in die allgemeine Kategorie Homo androidus geraten erscheinen läßt, gemäß Definition in Absatz 9, Paragraph 16(b) des Kodex.‹
    Paragraph 16(b) konstatiert, ich zitiere: ›Homo androidus, eine Subspezies von Homo sapiens … ‹«, sie unterbrach sich für eine Zwischenbemerkung an die Geschworenen: »Subspezies, verehrte Gebieterinnen und Gebieter. Läßt das nicht eine sehr enge Verwandtschaft ahnen?« Dann fuhr sie fort: »› …eine Subspezies von Homo sapiens, der ausschließlich Produkte der neunten Generation angehören, mit der abstrakten Eigenschaft des freien Willens begabt, nachgewiesen durch das erkennbare Wirken der fundamentalen Attribute Vernunft, Lernvermögen sowie unabhängiges Denken und Handeln, vereinbar mit oder analog zu den inneren Prozessen und äußeren Manifestationen der menschlichen Psyche.‹«
    Warum nicht andersherum? fragte ich mich, denn mir war der Gedanke gekommen, daß ebensogut die Menschheit als Subspezies klassifiziert werden konnte oder, wenn man noch einen Schritt weiter gehen wollte, als Vorläufer des Homo

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