Mein Leben als Androidin
Behauptung der Verteidigung, ich hätte während meiner marsianischen Ära keinen IZ besessen, als Lüge zu entlarven, dann träumen Sie schön weiter. Wie im vorigen Kapitel bereits erwähnt, war man sich allseits einig, dieses Geheimnis zu bewahren. In bezug auf die Verteidigung hätte ein anderes Vorgehen den Deckel von einer besonders großen Dose mit Würmern gelüftet, solchen wie General Harpi, Gebieter Dee, die interplanetaren Verbrecherorganisationen und sogar die TWAC, letztere durch die unsauberen Machenschaften von United Systems und Sensei Inc. in diese anrüchige Gesellschaft geraten. Nein. Solange Präsident Fracass' Reputation erhalten blieb, buchstäblich auf Kosten meiner eigenen, kamen keine dunklen Flecken auf irgendwelche weißen Westen.
Die klagende Partei hatte sich für eine andere Linie entschieden, die Jug mit Verve artikulierte. Die Unstimmigkeiten in der Verschwörungstheorie der Verteidigung würden den Bericht der Untersuchungskommission bestätigen. Ein Nicken in Richtung des Vorführers, und Bilder von Andro neben mir auf der Bettkante in seinem Zimmer im Palast nahmen dreidimensionale Gestalt an. Es war die Nacht, in der er Molly II von der Klage der LRA erzählte und dem Plan Senseis, die als Handhabe gegen die Humanisten auf dem Mars zu nutzen. Nur ein kurzes Stück ihres Gesprächs wurde gezeigt, allerdings der Teil, der sich auf Smedlys Rolle und die der RAG bezog und dem Zuschauer den Eindruck vermittelte, sie wären die einzigen Verschwörer gewesen. Andro wurde als Smedlys Kontaktperson dargestellt und ich als seine untergeordnete Helfershelferin. Ein willenloses Spielzeug in mehr als einer Beziehung, wie andere, intimere Szenen verdeutlichten. Jugs Interpretation fügte sich in die offizielle Version, nach der Andro die First Lady kurz nach ihrer Ankunft in Kommerz für die Verschwörung gewonnen hatte. »Willenloses Nichts, das sie war, verriet sie diesem doppelgesichtigen Stabschef all die intimen Informationen, zu denen sie als Ehefrau des Präsidenten Zugang hatte. Sie war die Marionette, er zog die Fäden, nicht umgekehrt.«
Jug beendete seine Kampagne mit einer weiteren entscheidenden Sequenz, von der Verteidigung mit dem Aufschrei quittiert, das Material sei ihnen nicht zugänglich gemacht worden: Der Präsident erfuhr von der Affäre zwischen seiner Ehefrau und dem Stabschef und ihrer Beteiligung an der Verschwörung. Ebenso wohlüberlegt zusammengestellt wie alles, was die Anklage bisher präsentiert hatte, war diese Exegese der Liebe und Politik derart montiert und geschnitten, daß der allgemeine Eindruck entstand, Blaine hätte uns in flagranti in seinem Schlafzimmer ertappt, was Andros unbekleideten Zustand erklärte. Mein ständiger Programmwechsel während des anschließenden Wortgefechts war frisiert, um die Existenz einer zweiten Persönlichkeit der First Lady geheimzuhalten. Dadurch wirkten die Aussagen von Molly II wie sinnloses Geschwafel, das man nur als zusätzlichen Beweis für die Fehlfunktion der Einheit ansehen konnte. Andros Bemerkung, die First Lady hätte sich » … als Fehlschlag erwiesen … nicht verantwortlich für das, was sie sagt«, wurde besonders ausführlich präsentiert, während – kaum verwunderlich – der darauffolgende Mord des Präsidenten gänzlich unterschlagen wurde. Um keine Pause entstehen zu lassen, blendete Jug zur Pressekonferenz um und nutzte das in den Nachrichten gesendete Material für Zeitlupenaufnahmen und überarbeitete Close-ups von dem flüchtigen Ausdruck der Orientierungslosigkeit und Verwirrung, der sich bei dem verhängnisvollen Programmwechsel auf meinem Gesicht malte; selbstverständlich diente ihm das Mienenspiel als unwiderlegbarer Beweis, daß ich mich zum Zeitpunkt des Attentats nicht im Besitz meiner geistigen Fähigkeiten befunden hatte. »Von VORSATZ kann keine Rede sein«, erklärte er, an die Geschworenen gewandt, »jedenfalls nicht von ihrer Seite, es ist aber nicht auszuschließen, daß dieses willenlose Geschöpf Befehle befolgte – Befehle, die Andro ihr vor langer Zeit gegeben hatte. Ein Notfallplan, wenn man so will, der vorsah, den Präsidenten unter allen Umständen aus dem Weg zu räumen, sollte die Verschwörung aufgedeckt werden.« Als Dahlia sich erhob, um Beweise für die Existenz eines solchen Plans zu fordern, was Jug natürlich vorausgesehen hatte, erwiderte er mit bemerkenswerter Kaltblütigkeit, daß ungünstigerweise diese Daten nicht zur Verfügung standen, weil sie der
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