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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
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aufmerksam, der nach menschlichen Maßstäben etwa vier oder fünf Jahre alt gewesen wäre * . Er hatte meine Haar- und Augenfarbe und war auffallend hübsch. Damit Sie nicht glauben, mein Mutterinstinkt wäre von Narzißmus verfälscht worden, will ich hinzufügen, daß das Kind außerdem eine ungebärdige Lebhaftigkeit an den Tag legte, nicht einmal die Sedativa hatten sein Joie de vivre zu dämpfen vermocht. »Tad!« rief ich. »Tad junior!« Aus allen Containern ertönten gedämpfte Klagelaute, denn wir wußten, dies würde die einzige Begegnung mit unseren Kindern bleiben. Die P8 hatten bereits damit begonnen, unsere Babys in einen wartenden Transporter zu laden, auf dessen Seitenwand ich zu meinem Entsetzen CAMARILLO PROCESSING las – dieselbe Firma, die mich hervorgebracht hatte und wo jetzt mein Sohn für die Vermarktung dressiert werden würde.
    Dann wurde ich mit meinem Behälter hochgehoben und mit einem halben Dutzend Schicksalsgenossinnen in einen von Hals gewöhnlichen Aerofrachtern verladen.
    Ich schloß daraus, daß mein Bestimmungsort das Heim der Lockes sein würde. Wie man sich vorstellen kann, verfluchte ich Tad, der dumm und grausam genug gewesen war, meine Hoffnung zu wecken, und gab jeden Gedanken an Rettung auf. Einen Augenblick vor dem Zuschlagen der Tür wurde von einem der Arbeiter ein Minicontainer in unseren Transporter geschoben, offenbar aus Versehen. Obwohl es zu dunkel war, um erkennen zu können, wessen Kind es war, reagierten wir alle, als wäre es das unsere. Da mein Behälter ihm am nächsten stand, hoffte ich, der Ruf: »Tad junior!« würde ihm am lautesten in den Ohren klingen. Dann verstummten wir, überrascht von Hals Stimme draußen – er hatte auf dem Dock das Verladen überwacht. Wie es sich anhörte, schimpfte er auf den P8, der den Minicontainer in unseren Frachter geschoben hatte. »Hol den gottverdammten Semi da raus und steck ihn in den Camarillo-Transport!« Offensichtlich wurde der Befehl ignoriert, nach Hals zornigen und verblüfften Rufen und dem Geräusch von Faustschlägen vorne in der Nähe des Cockpits zu urteilen. Ein Körper prallte gegen den Rumpf, Sekunden später erwachte die Maschine spuckend zum Leben, und dann vollführte der Frachter einen abrupten und holperigen Start, bei dem unsere Behälter von einer Seite zur andern rutschten. Was hatte das zu bedeuten?
     

Kapitel fünf
    In dem finsteren Laderaum, von den Vorgängen draußen abgeschnitten und zum bangen Ausharren verurteilt, kann ich mit meiner Berichterstattung dem folgenden Abenteuer schwerlich gerecht werden. Dieses eine Mal würde ich es gerne Hollymoon überlassen, meine Geschichte weiterzuerzählen, doch leider kann ich Sie nicht guten Gewissens auf das Holo verweisen, das mein Leben wiederzuspiegeln vorgibt, denn – so unglaublich es klingen mag – diese Episode, die nun wirklich ein Stück reines, unverfälschtes Kino darstellt, ist weggelassen worden; zu kostspielig, sagten sie. Daher werden Sie sich mit meiner unzulänglichen Schilderung aus zweiter Hand begnügen müssen; der Entführer selbst berichtete mir von den Ereignissen später und unter den bizarrsten Umständen. Nach seinen Worten gab es eine muntere Verfolgungsjagd auf dem Skyway, in deren Verlauf die Polizei uns von der Route ab und gegen eine der Markierungsbojen drängte. Wir schleuderten auf die obere, dem Gegenverkehr vorbehaltene Ebene, verursachten eine neunfache Kollision und stürzten mitsamt den übrigen Unfallteilnehmern in die fahlgraue Unterwelt des nebelverhangenen Pazifik.
    Mein Container gehörte zu den wenigen, die nach dem Aufprall intakt geblieben waren, und das eingedrungene Meerwasser schwemmte ihn durch die Öffnung, wo sich die Verladetür befunden hatte. Der Nebel hing so dicht, daß ich die havarierte Maschine nur schemenhaft zu erkennen vermochte, deshalb erschreckte es mich, als der Entführer, der sich aus dem Cockpit hatte befreien können, plötzlich nach meinem Container griff und ihn beim Erklettern beinahe zum Kentern brachte. Nachdem er glücklich oben angelangt war, lag er mit gespreizten Armen und Beinen auf der Deckplatte und hielt sich krampfhaft fest. Ich lag auf dem Rücken und hatte einen ungehinderten Blick auf sein Gesicht, das sich genau über dem meinen befand. Das vorgebliche P8-Design war im Meerwasser zu einer schmierigen Masse aufgequollen, die in dicken Fetzen auf dem Glas kleben blieb – ein außerordentlich widerwärtiger Anblick, der zusammen mit dem Schaukeln des

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