Mein Leben als Androidin
in Newacres gesellschaftlich unmöglich zu machen, gezwungen hatte, sein Eigentum zurückzunehmen. Das bedeutete, nach dem Ende der Rekonvaleszenz würde ich wieder in sein Haus gebracht werden. Zu meinem Unglück beabsichtigte Tads Vater, von seinem Eigentumsrecht Gebrauch zu machen und mich an die AÜ auszuliefern, zur Termination. Tad hatte sich gegen dieses Vorhaben zur Wehr gesetzt, in der Hitze des Gefechts seine Liebe zu mir gestanden und auch die Verantwortung für das Kind übernommen. Daraufhin war er aus dem Haus gewiesen worden. Unverdrossen hatte er sich bei einem Freund einquartiert und arbeitete jetzt für lausige fünfzig Mel pro Stunde in einer Aeromobilwaschanlage. Nebenbei war er als Freiwilliger im örtlichen LRA-Büro tätig. Dort hatten ihn die Kollegen vor einer gewissen tollkühnen Aktion gewarnt, die mich bei Erfolg – behauptete er – aus sowohl Hals wie auch seines Vaters Händen befreien und ihm bei Mißerfolg fünf bis zehn Jahre auf Ganymed einbringen würde. Keine Einzelheiten jetzt, dafür war keine Zeit. Er schaute sich nervös um, weil er Schritte zu hören glaubte. Ich brauchte nichts weiter zu wissen, flüsterte er, als daß er verrückt genug sei, es zu versuchen, denn er hatte sich nun einmal in den Kopf gesetzt, mit mir davonzulaufen – er träumte davon, daß wir als Lebensgefährten in unserem eigenen Modulkondo wohnten, mit einer Menschenfrau als Kindermädchen für den Jungen. Er blieb noch einen Moment, um mir zu beteuern, daß ich vorläufig sicher war und daß er mich ganz bestimmt retten würde, bevor Hal mich seinem Vater ausliefern konnte. Dieses Versprechen wurde mit einem Kuß auf die Glasscheibe besiegelt, danach schlich er sich hinter dem Rücken eines P8 hinaus, der gekommen war, um die Lagerhalle zu kontrollieren.
Welche Spannung! Welche Hoffnung! Doch als er nach ein paar Tagen (oder Wochen, oder Monaten – an einem solchen Ort verliert man das Zeitgefühl) nicht wiedergekommen war, begann mein Mut zu sinken. Um mich von der zunehmenden Besorgnis und den physischen Beschwerden meiner Gefangenschaft abzulenken – es war unmöglich, sich in dem Container aufzusetzen, höchstens umdrehen konnte man sich –, gewöhnte ich mich daran, an dem Speiseschlauch zu saugen und zu nagen, der von der rechten oberen Ecke des Containers herabhing und mit einer draußen angebrachten Nutraflasche verbunden war. Die kleinen Portionen, die die Flasche hergab (wir waren auf Diät gesetzt, um unser Übergewicht abzubauen), müssen mit Sedativen versetzt gewesen sein, weil ich nach jeder Nahrungsaufnahme in tiefe Stasis versank und mich nach dem Aktivieren schwindelig und verwirrt fühlte. Alles erschien mir verschwommen und nebelhaft. Ich verlor auch den letzten Rest Zeitgefühl. So merkte ich nicht, daß achteinhalb Monate auf diese Weise verstrichen, dank der Unschlüssigkeit von United Systems, wo keiner wußte, was man mit uns anfangen sollte, und wo man durch Pirouet – jetzt ein Tochterunternehmen – die Händler angewiesen hatte, die lästigen Muttereinheiten bis zur endgültigen Lösung des Problems auf Halde liegen zu lassen.
Anfangs versuchte ich mir die Zeit zu vertreiben, indem ich mit den anderen Einheiten über, unter und seitlich von mir Kontakt aufnahm, doch erwies sich das als eine zu frustrierende und ermüdende Betätigung, also gab ich es auf. Außerdem, unsere Vergangenheit bot keinen Gesprächsstoff – es war in jedem Fall die gleiche Geschichte: Durchbruch, Verführung und Abschiebung. Ohne ihre eigene Notlage geringachten zu wollen, bezweifle ich doch, daß viele von ihnen der Rückkehr in das Haus ihres Gebieters mit soviel Angst entgegensahen wie ich. Unser Hauptthema waren selbstverständlich die Kinder, die wir nie zu Gesicht bekommen hatten und wahrscheinlich auch nie zu Gesicht bekommen würden. Was mochte Hal mit ihnen vorhaben? Nichts Gutes, vermuteten wir und irrten uns nicht, denn es kam der Tag, da endlich in einem fernen Orbiter eine Entscheidung gefallen war und man uns en masse von einem Trupp P8 zur Ladeplattform schaffen ließ. Unsere Kinder wurden neben uns aufgestapelt. Der Anblick war ebenso willkommen wie quälend, denn die armen Dinger lagen in süßer Ruh (offensichtlich betäubt) in Mini-Inkubatoren und erinnerten fatal an eine Ladung Brathähnchen auf dem Weg zum Markt.
Mein Blick suchte die größeren Einheiten, da ich wußte, mein Kind war als eines der ersten auf die Welt gekommen. Bald wurde ich auf einen Jungen
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