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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
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so.
    Welch ungeheure Erleichterung, als mein Rufer summte und ich zu meiner ersten Verabredung aufbrechen durfte. Ehe ich mich auf den Weg machte, versicherte ich Eva, daß ich bald zurück sein würde, mit genügend Mel für ein anständiges Zimmer und etwas zu essen. Es gäbe also keinen Grund zu verzweifeln; während meiner Abwesenheit würde sich Annette um sie kümmern. »Und Dip! Dip! Vergiß nicht, ein bißchen Dip zu kaufen. Ich brauche es!« rief sie mir nach, als ich das Jetpack aktivierte und vom Boden abhob. Später, bei meinem Kunden, war ich von dem Kontrast zwischen der Armseligkeit unserer derzeitigen Situation und der luxuriösen Eleganz seiner Suite im Malibu Cove Hotel dermaßen beeindruckt, ganz zu schweigen von seinem zuvorkommenden und distinguierten Betragen während und nach unserer Sitzung, daß ich mich ernsthaft versucht fühlte, mein sich auf beinahe dreitausend Mel belaufendes Honorar für ein Zimmer im selben Hotel und eine anständige Mahlzeit auszugeben, statt zu Eva zurückzukehren, die alles für ihre albernen Pillen verschwenden würde. War ich Roland entflohen, nur um mir den nächsten Junkie aufzubürden, fragte ich mich. Doch Anstand und Mitleid behielten die Oberhand; ich kehrte zurück. Annette und Eva waren nicht mehr dort, wo ich sie verlassen hatte, und obwohl ich den Strand etliche Meilen weit in jeder Richtung absuchte, gelang es mir bis zum Abend nicht, sie zu finden. Völlig unerwartet hatte sich mein Problem von selbst erledigt; ich war Eva los, und das, ohne mir Vorwürfe machen zu müssen.
    Freiheit. Sie entpuppte sich als bis ins letzte Detail so schwindelerregend und furchteinflößend, wie ich mir das immer vorgestellt hatte. Allein der Versuch, ein Hotelzimmer zu mieten, war ein nervenzermürbendes Abenteuer. Ich hatte nie zuvor eine Unterschrift geleistet, also brachte ich keine glaubhafte Signatur in dem Gästebuch zustande, das der Xerox-Nachtportier mir reichte, noch wußte ich, wie man eine Zahlungsanweisung ausfüllte, und natürlich verfügte ich über keine der gebräuchlichen Identifikationsmarken. Als ich mein gesamtes sauer verdientes Mel auf die Rezeption legte, klärte der Portier mich liebenswürdig darüber auf, daß die Hotelleitung bargeldlose Zahlung bevorzugte, mit zwei gültigen Ausweisen bitte. Mir blieb nichts anderes übrig, als das Mel wieder einzusammeln und zu gehen. Dabei saß mir die Angst im Nacken, er könnte mein Verhalten befremdlich genug finden, um die AÜ zu benachrichtigen.
    In der nächsten Herberge erging es mir noch schlechter, denn bei meinem hastigen Rückzug nach der auch diesmal fehlgeschlagenen Verhandlung mit dem Portier vergaß ich, das Mel einzustecken, und nachher erschien mir das Risiko zu groß, hinzugehen und es zu holen. Also gab ich auf und flog mit dem Jetpack in die Berge, wo ich die Nacht auf einem Felsvorsprung verbrachte und aufs Meer hinausschaute. Die Angst vor der AÜ ließ mich nicht zur Ruhe kommen. Jedesmal, wenn ich in Stasis zu sinken begann, schreckte ich bei einem Knistern im Buschwerk oder einem Knacken im Geäst der Bäume auf und wandte mich zur Flucht. »Oh, ich wünschte, Eva wäre hier«, sagte ich laut, aus dem Gefühl unendlicher Verlassenheit heraus. Auch mein Halsschmuck summte nicht, um mir die Möglichkeit zu geben, meine Zahlungsfähigkeit wiederherzustellen. Nun ja, am Morgen entdeckte ich, daß das Jetpack nicht mehr funktionierte. Schuld war ein kleines Leck, das ich am Abend zuvor nicht gesehen hatte. Während des Fußmarsches durch das rauhe und unwegsame Gelände stürzte ich mehrmals und zerriß mir die Kleider, so daß ich bei meiner Rückkehr in die Zivilisation unmöglich aussah. Als mein Halsschmuck endlich Signal gab, mußte ich ablehnen, so schwer es mir auch fiel, und entschuldigte mich bei Harry mit Krankheit, denn kein Kunde, der ein Mädchen von Miss Pristines anerkannter Klasse erwartete, würde sich mit einer derart schäbigen Kurtisane zufriedengeben. Solchermaßen erniedrigt, wanderte ich wie in Trance die Promenade entlang, überwältigt und niedergeschmettert von meinem plötzlichen Unglück. Nach einer Weile verlegte ich mich aufs Betteln, und was ich dabei zusammenkratzte, reichte aus, um mich am Leben zu erhalten; neue Kleider konnte ich mir allerdings nicht leisten, und zum Schlafen mußte ich mich wieder in die Wildnis verkriechen, denn die Polizei scheuchte allabendlich den Pöbel unter den Plankensteigen hervor. Ich erspare Ihnen die Details der

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