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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
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im Osten; die Bucht im Süden – gesäumt von dem nördlichen Ausläufer der Palos-Verdes-Insel; und im Westen die riesige schwimmende Stadt New San Francisco, die eine Meile von der Küste entfernt vor Anker liegt, ein phantasmagorischer Edelstein in der Unendlichkeit des blauen Pazifiks.
    Ein Maître de cuisine von Apple, Gärtner von Sony und Wachmann von Sears waren im Preis inbegriffen wie auch ein Paar identische kirschrote Mercedes (einer für sie und einer für mich). Wir investierten gewaltige Summen in Möbel und Kunstgegenstände, unter anderem ein antikes Klavier, ein halbes Dutzend moderner Abstraktholos, aktuelles Glasfasermobiliar und den letzten Schrei in Kristalldiffusionsbeleuchtung, ganz zu schweigen von einer Schwingbadewanne, dem Haushalts-Klimakontrollsystem der Marke Fresca und einer Sylvania-Medienkonsole mit interplanetarem Zugang. Und was die Garderobe betraf – sie war atemberaubend. Leb wohl Synthetikzeug, sei mir gegrüßt Tortonibaumwolle; und unsere Kollektion von Gesichtern stammte direkt aus Paris. (Verzehren Sie sich vor Neid, gnädige Frau Locke.) Ich leistete mir sehr bald die vergnügliche Marotte, an jedem Tag der Woche oder meiner Laune entsprechend ein anderes Gesicht zu tragen, bis es mir zur Gewohnheit geworden war, mich außer Haus und auch bei den Kunden nur noch mit Maske zu zeigen. In letzterem Fall war es ohnehin empfehlenswert, inkognito zu bleiben.
    Doch der am höchsten geschätzte Besitz von allen war ein authentisches Vier-Pfosten-Bett aus echtem Teak- und Eichenholz und versehen mit einer Federmatratze, Typ Alte Welt, mit individuellem Liegekomfortregler. Es war der Himmel. Sich darauf zu rekeln verursachte ein an Wollust grenzendes Behagen, so daß eine gewisse Zuneigung, die während der zwei Monate in einem gemeinsamen Zimmer im Hotel zwischen uns gewachsen war, jetzt in der Versuchung gipfelte, ihr die Zügel schießen zu lassen. Immerhin waren wir Bettgenossen, was lag also näher, als daß ich mich ihr ebenso hingab wie meinem vorherigen und erheblich unwürdigeren Partner. Ich hielt es für eine nette Art, die erste Nacht in unserem neuen Heim zu feiern.
    Anfangs wirkte sie überrascht, tat jedoch nichts, um mein behutsames Vortasten abzuwehren, so daß wir bald mit Verve bei der Sache waren und den Liegekomfortregler nach Kräften nutzten. Ihre üppigen Brüste und prallen Schenkel waren eine Offenbarung, ebenso ihre Reaktion auf jede meiner Zärtlichkeiten: Ich konnte mir nicht helfen, aber die Gefühle, die mich bei unserem Liebesspiel durchströmten, waren viel süßer und tiefer als das, was ich beim Verkehr mit meinen Kunden empfand. Wenn ich doch nur von ihr schwanger werden könnte, dachte ich, in ihre Arme geschmiegt, denn nach diesem Glück sehnte ich mich immer noch vor allem anderen. Im Lauf der folgenden Wochen wurden wir so vertraut, daß ich mich kaum enthalten konnte, ihr von meiner Sehnsucht zu erzählen und damit natürlich auch das Geheimnis meiner Herkunft zu enthüllen. Zu schweigen fiel mir besonders schwer, weil sie mir so viele Dinge aus ihrer eigenen Vergangenheit anvertraute (wollte ich sie alle wiederholen, würden sie ein eigenes Buch füllen). Doch ich sagte nichts, aus Furcht, meine Bekenntnisse könnten ein zu großer Schock für sie sein und unsere noch ungefestigte Verbindung zerstören, die mir mehr bedeutete als die Wahrheit selbst. Sehen Sie, zum ersten Mal seit Beginn meiner Existenz lebte ich auf gleicher Basis mit einem menschlichen Wesen. Wenn, wie es von Zeit zu Zeit vorkam, ich ins Grübeln verfiel und an die erbärmliche Täuschung dachte, auf der unsere wunderschöne Freundschaft beruhte, dann rechtfertigte ich sie als einen nicht mehr und nicht minder verächtlichen Kompromiß, wie er in den meisten Beziehungen vorkommt, nur ein technisches Detail und wirklich nicht der Rede wert. Doch war dieses technische Detail nicht ebenso klein wie bedeutsam? War es nicht, genau besehen, der Dreh- und Angelpunkt meiner ganzen Welt?
    So verstrichen die Tage, Wochen, Monate und Jahre in vornehmer Heuchelei, der Dodger District verblaßte zu einer vagen Erinnerung und wurde nie mehr erwähnt, außer als Vergleich bei Gesprächen über unseren Reichtum und unser Prestige, Errungenschaften, die wir inzwischen als selbstverständlich betrachteten. »O Annette«, sagte ich zum Beispiel bei einem gemütlichen Brunch mit Eva im Bett, »würdest du dem Apple sagen, daß er noch einige Croissants zurechtmachen soll, und bringst du sie

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