Mein Leben als Androidin
in seinem Herzeleid. Nicht ein einziges Mal brachte er den Vorfall wieder zur Sprache, sondern legte mir gegenüber ein kühles und gelassenes Verhalten an den Tag, wie um zu beweisen, daß ich ihn nicht getroffen hatte. Ein merkwürdiger Charakter. Ich vermute, er wäre nicht so tolerant gewesen, hätte er gewußt, daß sein Rivale eine Lesbierin war und das geliebte Objekt seiner Begierde eine Androidin.
Aber warten Sie nur ab, bis ich Ihnen verrate, bei wem es sich um meinen zweiten Anbeter handelte. Sie werden eine Überraschung erleben. Ich meine es ernst, Sie müssen warten, weil ich erst davon erzählen will, daß Mister Hirojones und er nicht als einzige mit ihren Heiratsanträgen einen Korb einheimsten; als ich Eva um ihre Hand fürs Leben bat, wies sie mich mit der fadenscheinigen Begründung ab, daß unsere Beziehung ihren Reiz verlieren würde. Ich hegte allerdings den Verdacht, daß die wahren Gründe tiefer lagen. Zum Beispiel lehnte sie Gesten der Zuneigung in der Öffentlichkeit ab, auch wenn sie ein Gesicht trug. Wenn ich mich vergaß und den Arm um sie legte oder – da sei der Chef vor! – ihr einen liebevollen Kuß gab, wandte sie sich peinlich berührt ab. Ihr Verhalten kam mir seltsam vor, denn zu Hause war sie die bei weitem aktivere und aggressivere von uns beiden und erlegte sich vor den Dienstboten keinerlei Hemmungen auf. Unter anderem gewöhnte sie sich an, mich mit altertümlichen erotischen Hilfsmitteln zu traktieren, die sie beim Liebesspiel umschnallte, oder sie schlug mich leicht mit einer Peitsche und sagte: »Laß uns Herrin und Sklavin spielen, Candy.« Leicht zu erraten, welche Rolle sie sich aussuchte. Ich akzeptierte diesen Bruch (oder Defekt, wenn man so will) in ihrer Persönlichkeit, doch nach einiger Zeit begann ich mich zu fragen, ob diese Marotten nicht Symptome für eine schwerwiegendere Fehlfunktion waren, denn wir entfernten uns immer mehr von unseren ersten zärtlichen Umarmungen. Fühlte sie sich getrieben, die Domina zu spielen und im Bett auf immer bizarreres Gerät zurückzugreifen, weil sie insgeheim unglücklich war und sich mit Gewissensbissen wegen unseres Verhältnisses quälte? War es möglich, überlegte ich, daß sie aus verzweifeltem Verlangen nach einem Mann den maskulinen Part mimte? Natürlich lachte sie schallend, als ich sie mit dieser Frage konfrontierte, und nahm sie als eine meiner üblichen komischen Ideen, aber ich blieb fest und erkundigte mich allen Ernstes, ob sie einen ihrer Abonnenten zu heiraten hoffte.
Sie fiel aus allen Wolken. Ihre Karriere aufgeben, wo wir so gut im Geschäft waren? Meine Eifersucht war ebenso rührend wie grundlos und absurd. Männer waren ein notwendiges Übel, sagte sie; ohne sie konnte man die Miete nicht zahlen (Hypothek, besser gesagt). Doch sie würde niemals unser kleines Liebesnest dadurch besudeln, daß sie einen von ihnen zum Essen nach Hause einlud, noch dachte sie im Traum daran, sich außer Haus einen privaten Liebhaber zuzulegen. »Dann hast du mich über und hältst Ausschau nach einer neuen Freundin?« fragte ich demütig. Sie gab zur Antwort, sie hätte nichts dergleichen vor, und in der Öffentlichkeit wäre sie nur deshalb so zurückhaltend, weil, nun ja, weil sie nicht wollte, daß die Leute über uns redeten. »Warum? Tun wir etwas Schlechtes?« Sie sagte nein, aber in einem Ton, als fühlte sie sich in die Enge getrieben. Dann wechselte sie das Thema und fragte, ob ich einverstanden wäre, einen IBM-Finanzberater zu kaufen, der bei der Verwaltung unserer beträchtlichen Investitionen in Wertpapiere, Edelsteine, Kunstwerke, Marsgold und sonstige Edelmetalle und Güter helfen konnte. Unsere Vermögensverhältnisse in Ordnung zu halten, nahm mehr Zeit in Anspruch, als wir erübrigen konnten. »Ein Ehering würde mir mehr Freude machen«, schmollte ich. – »O Candy, du bist so konventionell«, schalt sie und knuffte mich liebevoll auf die Wange, womit ich es gut sein ließ. Ich war nicht so dumm, weiter in sie zu dringen und unsere Beziehung zu gefährden. Wir waren Lebensgefährten im wahrsten Sinn, wenn auch nicht vor dem Gesetz, sagte ich mir, und warum es nicht dabei belassen? Wenn es ihr so viel bedeutete, daß unser Verhältnis geheim blieb, das war doch für mich keine unzumutbare Belastung. Außerdem, diese Täuschung war trivial, verglichen mit der, die auf meinem Gewissen lastete. Im Herbst 2077, drei Jahre und elf Monate nach unserer Ankunft in Malibu und kurz vor dem fünften
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