Mein Leben als Androidin
Einheit. Das bedeutet, wenn euer Haus nicht groß genug ist, müßt ihr entweder ein kleines Vermögen für einen Anbau ausgeben oder auf die Einheit verzichten. Sie mischen sich in euren Lebensstil ein, Leute! Und hier heißt es, daß ihr dem verdammten Ding ein Bett zur Verfügung stellen müßt. Na, meine Einheiten zu Hause schlafen auf Pritschen, und ich wette, die euren auch. Stellt euch vor, der Kodex wird verabschiedet, dann sind wir alle Gesetzesbrecher.«
Er schüttelte den Kopf und seufzte über die grimmige Absurdität des Ganzen. »Weiter. Hier haben wir einen 72 Seiten langen Abschnitt über Disziplin. Zusammengefaßt kann man sagen, daß es damit Essig ist, denn es gibt so viele Vorschriften gegen Mißhandlungen durch den Eigentümer, daß man nur vergessen muß, ›Gesundheit‹ zu sagen, wenn eine Einheit niest, und schon haben sie einen beim Wickel. Und auf den gesamten 536 Seiten dieses unglaublichen Dokuments findet sich nicht ein – nicht ein einziger – Hinweis auf das Recht des Eigentümers, sich gegen eine rebellische Einheit zur Wehr zu setzen, nicht einmal seine eigene, wenn sie auf Grund einer plötzlichen Fehlfunktion auf ihn losgeht – das passiert doch ständig, oder nicht?« (Verleumdung!) »Und schon gar nicht gegen die von jemand anders; es steht auch nicht drin, wie unsereiner sich verteidigen soll, wenn eine Einheit in sein Haus eindringt. Kein Wort davon! Doch am schlimmsten ist Artikel 19, im Abschnitt ›Recht auf Privatleben, Freizeit und die Verfolgung eigener Interessen.‹ O ja, ihr habt richtig gehört: Freizeit für Androiden. Hier steht es. Sie dürfen nur soundso viele Stunden am Tag arbeiten, sechzehn, glaube ich, und die übrige Zeit können sie sich in eurer Schwingwanne aalen, Holos anschauen, Buchspulen lesen, sich weiterbilden, umstürzlerische Verschwörungen anzetteln – he, ich rede Klartext! Als nächstes verlangen sie ein geregeltes Einkommen. Lacht nicht, soweit kommt es bestimmt. Aber Reverend Fracass, sagt ihr jetzt vielleicht zu mir, die meisten Einheiten haben einen Internen Zensor, also wie können sie all diese Vergünstigungen in Anspruch nehmen? Nun, wenn dieses Machwerk verabschiedet wird, dann werden die Hersteller gezwungen sein, diese Sicherheitsvorkehrung zu modifizieren, andernfalls verstoßen auch sie gegen die Vorschriften.
Jetzt fragt euch doch einmal, wer den größten Nutzen von diesem Kodex haben wird. Nicht ihr und ich, die Verbraucher, und auch nicht das Produkt, eure Einheiten – sie sind nicht darauf programmiert, mit der Freiheit umzugehen. Die einzigen, die etwas gewinnen, sind die Mächte der Anarchie und der Korruption: die LRA, die Hochaquarier, flüchtige P9 und die Orb-Dealer. Die vier Reiter der Apokalypse. Aber wir werden uns nicht einschüchtern lassen. Erhebt euch mit mir wie ein Mann, wenn ich sage: Im Namen der Menschheit, es ist Zeit, diesem Wahnsinn ein Ende zu setzen!« (Ein Kameraschwenk auf die erhitzte und erregte Menge zeigte, daß die Hälfte aufgestanden war.) »Erhebt euch mit mir …« (Die zweite Hälfte gehorchte.) »Erhebt euch mit mir, wenn ich der LRA sage – der LRA, die dieses empörende Machwerk zugunsten der Hochaquarier und ihrer entlaufenen Droiden verfaßt hat –, erhebt euch mit mir und sagt ihnen: Im Namen der Menschheit, ihr habt eines vergessen!«
»IM NAMEN DER MENSCHHEIT, IHR HABT EINES VERGESSEN!« wiederholten sie vielstimmig.
»Ihr vergeßt Fakt Nummer vier: Androiden sind Gebrauchsgegenstände.«
»ANDROIDEN SIND GEBRAUCHSGEGENSTÄNDE.«
»Wollt ihr mir helfen, sie daran zu erinnern? Wollt ihr dazu beitragen, daß in Frontera der Kodex niemals Gültigkeit erlangt?« (»JA!« tönte es entschlossen zurück.) »Möge Gott euch segnen, Leute! Mit eurer Unterstützung können wir garantieren, daß die Majorität Mensch triumphiert, nicht nur auf dem Mars, sondern auch auf dem Mond und der Erde und allen Orbitern dazwischen. Ihr habt die Macht! Ihr habt die Macht! Also – werdet ihr euch von diesem Verräter Alexander Seti, diesem Abschaum, um euer Sonnensystem betrügen lassen?«
Das brausende »NEIN!« der Masse war ohrenbetäubend. Der Boden der Tabernakelkirche mußte gebebt haben, weil das Holobild zitterte und schwankte. Dann kehrte schlagartig Ruhe ein, als Reverend Fracass ihnen mit einer Handbewegung bedeutete zu schweigen und seine weiteren Überlegungen zu diesem Thema anzuhören.
»Also, mir kommt jedesmal die Galle hoch, wenn ich an den Mann denke. Ihr kennt doch
Weitere Kostenlose Bücher