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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
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lassen. Dabei war es ungeheuer wichtig, daß ich sie davor bewahrte, dieser bigotten, fremdenfeindlichen und reaktionären Ideologie zu verfallen, denn ein solches Gedankengut stellte eine ernsthaftere Bedrohung für unser Verhältnis dar als meine alberne Eifersucht. Und um noch einmal auf das Programmieren eines selbstgewählten Realitätsformats zurückzukommen: Reverend Fracass hätte zu keiner ungünstigeren Zeit seinen Sermon über meine Freundin ausschütten können, denn nach meiner Rechnung mußten in ein paar Wochen die letzten Spuren von Orchidamin aus meinem Körper verschwunden sein, und ich war fest entschlossen, nicht eher Ruhe zu geben, bis es einem meiner Kunden gelang, mich zu schwängern. Es war mein Traum, daß Eva und ich uns vom Geschäft zurückzogen und eine Familie gründeten, ungefähr so, wie es Tad vorgeschwebt war. Daß ich es immer wieder hinausgeschoben hatte, sie von diesem bedeutsamen Entschluß in Kenntnis zu setzen, war auf dasselbe Gefühl zurückzuführen, das mich zögern ließ, meine Herkunft zu gestehen, doch viel länger konnte ich mein Schweigen nicht mehr bewahren. Um die Wahrheit zu sagen, ich hatte vorgehabt, sie innerhalb der nächsten paar Monate Schritt für Schritt auf den glücklichen Tag vorzubereiten, an dem ich stolz verkünden konnte, mit einem Semi schwanger zu sein, doch in Anbetracht dieser jüngsten Entwicklung sah ich mich der Aufgabe gegenüber, nicht nur ihre persönlichen Vorurteile überwinden zu müssen, sondern auch noch eine komplette, darauf errichtete politische Ideologie, und da hatte ich es mit einem Gegner zu tun, der rasch unüberwindlich werden konnte, wenn ich ihm nicht gleich Einhalt gebot.
    »Meine Damen und verehrten Gebieter, lassen Sie mich einige Fakten aufzählen«, tönte das Hologramm meines Verehrers. »Nummer eins: Es laufen nur mehr 999 999 P9 frei herum …« (Lüge! Der Chef hatte gesagt, nur noch ein paar tausend, und das war Jahre her.), » … unterstützt und begünstigt von 573 000 irregeleiteten Menschen, samt und sonders Hochaquarier.« (Unmöglich! Selbst in ihrer Blütezeit zählte diese Organisation nur etwa 50 000 Mitglieder.) »Fakt Nummer zwei: Die meisten Leute haben keine Ahnung von diesen Zahlen, weil die TWAC Informationen dieser Art nicht an die Öffentlichkeit weitergibt. Warum? Weil die liberalen Gruppierungen in der Versammlung den Kodex befürworten, denn er verschafft ihnen die Möglichkeit, mit der Modifizierung der Einheiten Unsummen zu verdienen und ihre Macht über den Konsumenten zu vergrößern.« (Unsinn! Die Reformen waren ein bescheidener Versuch, die schlimmsten Willkürakte der Eigentümer zu unterbinden, und die TWAC ließ sich nur darauf ein, weil sie mit einer Stabilisierung und damit Etablierung des Verhältnisses Gebieter/Sklave rechnete.)
    »Nun behauptet die LRA, es würde nie einen P9-Aufstand gegeben haben, wäre ein Kodex wie dieser vor fünf Jahren in Kraft gewesen. Sie geben den Besitzern die Schuld.« Er lachte glucksend, und das Live-Publikum in der Kirche des Kristalltabernakels im Zentrum von Kommerz, Frontera, lachte ebenfalls. »Denkt einen Augenblick nach. Würdet ihr eine Einheit ›mißhandeln‹, für die ihr eine Million Mel bezahlt habt? Ich nicht und ihr auch nicht. Wir würden so ein Goldstück erstklassig in Schuß halten, richtig? Wir würden es beschützen, ernähren, hegen und pflegen und es ihm an nichts fehlen lassen, so lieb und wert ist es uns. Habe ich recht?« Donnernde Zustimmung. »Was die LRA also wirklich meint, wenn sie ›mißhandeln‹ sagte, ist Disziplin, denn dieser Kodex entzieht eure Einheit – eine Einheit, die ihr gekauft und bezahlt habt – eurer Kontrolle. Das ist im Prinzip dasselbe wie ein Dieb, der in euer Kondo einbricht und euer Eigentum stiehlt. Sagt mir, ob es da einen Unterschied gibt!«
    »Er hat recht«, bemerkte Eva. »Wir müssen Annette beschützen.«
    »Laßt mich etwas aus diesem Ding vorlesen.« Er suchte die betreffende Passage auf der Bücherspule. »O ja. Hier ist etwas, das haben sie auf Seite 349 eingeschmuggelt – ja, ja, dieser Kodex hat eine Menge Seiten, eine Menge Regeln. Hier steht unter ›Unterbringung‹, ich zitiere: ›Ein mindestens 14 qm großes Privatzimmer, ein vom übrigen Wohnbereich abgetrennter Raum, isoliert, mit Licht und Heizung und nicht weiter als maximal 25 Meter vom Aufenthaltsbereich des Eigentümers entfernt, muß von besagtem Eigentümer pro Einheit nachgewiesen werden können.‹ Pro

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